Donnerstag, 22. November 2012

Was hat Israel erreicht?

Es ist nun offiziell, Israel und die Hamas haben ein Waffenstillstandsabkommen in Kairo unterzeichnet. Fürs Erste werden die Bomben wohl schweigen und das sinnlose Blutvergiessen vorerst gestoppt sein. Zu verdanken haben die Menschen in Israel und Gaza diese "Ruhe" dem ägyptischen Präsidenten Mursi, der seinen gesamten Einfluss auf die Hamas hatte einwirken lassen.

Die Frage an dieser Stelle sollte aber heissen wofür die Welt dann überhaupt noch das Nahost-Quartett braucht, wenn diese nicht einmal eine Waffenruhe einfädeln können, geschweige denn einen Frieden wie es der Sinn und Zweck des "Friedensquartetts" war? Ausser Russland, dem einzigen Teilnehmer dieser elustren Runde aus USA, EU, UNO und natürlich Russland, zeigte sich empört über die israelische Militäraktion in Gaza und forderte eine Verurteilung durch den UN-Sicherheitsrat. Eine entsprechende, von Marokko ausgearbeitete Resolution zum sofortigen Waffenstillstand wurde von den USA noch am Dienstag blockiert, mit der Begründung dass es "unausgewogen gegen Israel" formuliert wurde und deswegen "kontraproduktiv und unakzeptabel" war. Russlands Entwurf zu einem sofortigen Waffenstillstand wurde danach erst gar nicht weiter in Betracht gezogen. Wie sehr sich das Nahost-Quartett tatsächlich für eine friedliche Lösung im Nahen Osten bemüht, unter Berücksichtigung aller legitimen Interessen, zeigt sich am allerbesten auf der Seite des Deutschen Auswärtigen Amtes, wo man "sich besorgt zeigte über israelische Siedlungsaktivitäten und Raketenangriffe auf Israel vom Gaza-Streifen aus verurteilte."
Übersetzt und für alle verständlich heisst das also: wenn Israel ungehindert eine Mauer baut und Palästinensern ihren Grund und Boden stiehlt um jüdische Siedlungen zu errichten, dann zeigt sich das Quartett nur "besorgt" ohne aber etwas dagegen zu unternehmen, aber wenn Raketen aus dem Gaza Streifen kommen werden diese sofort verurteilt. Wie wenig die Besorgnis des Quartetts betreffend dem Siedlungsbau der Regierung Netanyahu Sorgen bereitet, zeigte erst vor kurzem Aussenminister Avigdor Lieberman als er an die Adresse der EU gerichtet sagte: "Die EU sollte sich auf die Probleme fokussieren die zwischen den verschiedenen Nationen auf europäischem Boden hervortreten. Erst wenn diese Angelegenheiten erfolgreich gelöst wurden, werden wir uns sehr gerne Vorschläge zur Lösung der Probleme mit den Palästinensern anhören."

Und die nächste Frage sollte lauten: was hat Israel nun erreicht? Einen Waffenstillstand hätte Netanyahu bereits letzte Woche haben können als ein Abkommen zwischen Hamas, vertreten durch niemand geringerem als den dann ermordeten Ahmed Jabari, und der Regierung Netanyahus kurz vor der Unterzeichnung stand. Durch diese "gezielte Tötung" aber war gemäss dem israelischen Unterhändler Gershon Baskin diese Möglichkeit zusammen mit Jabari unter die Erde gekommen. Sein Tod hatte dann den gewünschten Effekt erzielt. Die Hamas feuerte aus Rache ihre bisher geheim gehaltene Fajr-5 Rakete ab und löste in Tel Aviv und Jerusalem, den wichtigsten Städten Israels, Luftalarm aus. Das wiederrum nahm die IDF (Israel Defence Force) als Rechtfertigung für ihre Bombenangriffe aus der Luft auf Gaza.  Eine Invasion des Gaza-Streifens stand zweifelsohne kurz davor, nicht umsonst hätte der Generalstab 75`000 Reservisten mobilisiert und schweres Kriegsgerät in Stellung gebracht.
Was ist also innerhalb dieser Woche seit dem Mord an Jabari und dem Waffenstillstandsabkommen von Kairo passiert, dass Israel nicht zum grossen Massaker ausgeholt hat? Zumal es sehr, sehr viele Stimmen gab und nach wie vor gibt, die genau dieses Szenario als notwendig betrachten. Verteidigungsminister Ehud Barak hingegen erklärte das "alle militärische Ziele in Gaza erreicht wurden", welche Ziele er damit meinte blieb ungeklärt. Der stellvertretende Aussenminister Danny Ayalon meinte, dass "die meisten Menschen die in Gaza getroffen wurden es auch verdient haben, da sie nur bewaffnete Terroristen waren". Ein Schlag ins Gesicht für die etwa einhundert zivile Opfer!

Das die Hamas diesen Waffenstillstand als grossen Sieg des Widerstandes feiert zeigen diese Bilder:



Das Israel tatsächlich sämtliche militärische Ziele erreicht hat, darf stark bezweifelt werden. Nachdem die ersten Fajr-5 Raketen für Alarm in Tel Aviv und Jerusalem sorgten (das erste Mal seit dem Golfkrieg 1991) und das hauptsächlich von den USA finanzierte Raketenabwehrsystem "Iron Dome" doch keine hundertprozentige Sicherheit bringen konnte, scheint bei den Generälen und Netanyahu`s Kabinett für Panik gesorgt zu haben.
Damit bestätigte sich genau das wovor Israel seit der Gründung 1948 sich am allermeisten fürchtet: ein strategisches Gleichgewicht! Sämtliche Kriege die Israel bis heute geführt hatte, drehten sich genau um diesen Punkt, nämlich KEIN strategisches Gleichgewicht zuzulassen, sondern eine Übermacht (nebst Annektionsaktionen) in der unmittelbaren Nachbarschaft und in der Region darzustellen um die Freiheit nach Belieben schalten und walten zu können. Dieses "Freedom of Action" scheint nun zum erstem Mal seit 1973 zu bröckeln. Natürlich ist und bleibt die IDF die mächtigste Armee (die 4. stärkste der Welt) der Region, aber die Tatsache dass das wirtschaftliche Zentrum des Landes (Tel Aviv) und die Heilige Stadt (Jerusalem) nicht mehr ausser Reichweite sind, stellt eine enorme psychische Belastung für Israel dar. Allein die Tatsache dass die Hamas über die MÖGLICHKEIT verfügt das so hoch bejubelte Iron Dome System mit verschiedenen Raketen beschäftigt zu halten damit dann Ein oder Zwei doch durchkommen, lässt den Gegner in einem anderen Licht erscheinen. Bis jetzt ging der Grossteil der Israelis aus, dass die Hamas zwar lästig sind, aber ausser den Selbstmordattentätern keine grössere Gefahr darstellen. Die Hezbollah wurde da schon als grössere Bedrohung empfunden. Nun ist die Hamas aber auf die gleiche Ebene "aufgestiegen" was einem strategischen Gleichgewicht entspricht.

Da kam Ägypten genau im richtigen Moment und mit den richtigen "Incentives", um Netanyahu einlenken zu lassen. Präsident Mursi verpflichtete sich seinerseits, für die Hamas zu garantieren damit keine Raketen mehr abgefeuert werden. Israel dagegen versprach, die Kampfhandlungen zu beendend und die "gezielten Tötungen" auszusetzen sowie die Blockade gegen Gaza zu lockern. Beiden Seiten wurde so die Möglichkeit gegeben das Gesicht zu wahren. Die Hamas steht als "politische Siegerin" vor allen palästinensischen Fraktionen - auch in der West Bank - dar und ersparte den Menschen in Gaza ein weiteres Massaker wie vor bald 4 Jahren. Israel dagegen konnte zwar meiner Meinung nach nicht ihre Ziele militärisch erfüllen. Aber dadurch dass jetzt Ägypten die Verantwortung für die Hamas übernommen hat, kann Netanyahu seinem Volk auch hinblicklich der Wahlen im Januar 2013 vor die Augen treten und sagen, dass dieser Ball nun in der Ecke Ägyptens ist, dem Land mit welchem Israel seit über 30 Jahren einen Friedensvertrag hat und dem man vertrauen kann.
Das alles hätte Netanyahu auch einfacher und ohne Blutvergiessen haben können, wie ja die Verhandlungen zuvor mit der Hamas gezeigt haben.

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