Mittwoch, 23. Januar 2013

Iran`s Atomprogramm: Eine Frage der Ehre

Baut der Iran an einer Atombombe oder nicht? Das ist die Frage die mit aller Macht seit Jahren auf das Parkett der Weltbühne gedrängt wird und worauf es unterschiedliche Meinungen gibt. Es ist auch DIE Frage, die möglicherweise über einen Krieg entscheidet der sämtliche Kriege seit dem Zweiten Weltkrieg in den Schatten stellen und Zehntausende Menschenleben fordern könnte.
Es ist aber auch die Frage, obwohl von solch immens wichtiger Tragweite, bei welcher die Fakten scheinbar keine Rolle spielen sondern die Antwort einem vorgegebenen Skript entsprechen muss.

Damit man verstehen kann weshalb diese Frage so enorm wichtig erscheint, muss man zuerst einmal die historischen Fakten des iranischen Atomprogramms sowie die geopolitischen Gegebenheiten der verschiedenen Epochen berücksichtigen. In der gesamten aktuellen Debatte wird von westlichen Medien und Regierungen die Behauptung aufgestellt, dass a) der Iran an einer Atombombe arbeitet und b) der Iran dann eine Gefahr für den Weltfrieden darstellt. Beweise für diese Anschuldigungen gibt es allerdings nicht.

Wie alles begann

US-Präsident Dwight D. Eisenhower verkündete 1953 das neue "Atoms for Peace" Programm, welches das nötige Wissen und Infrastruktur an die amerikanischen Verbündeten zu "Forschungszwecken" liefern sollte. Unter den Verbündeten zählte man in jener Zeit auch den jungen Shah Muhammad Reza Pahlavi, den die amerikanischen und britischen Geheimdienste erst ein paar Monate zuvor durch einen Coup gegen den demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Mossadegh fest auf den iranischen Thron installierten. Iran unterzeichnete dann 1957 den ersten Vertrag mit den USA zur Lieferung eines Forschungreaktors im Rahmen des "Atoms for Peace" Programms. Nur ein Jahr später, 1958, siedelten die USA das "Institute of Nuclear Science" des CENTO (das Gegenstück der NATO für den Nahen Osten, welchem folgende Länder angehörten:  USA, Grossbritannien, Iran, Irak, Pakistan und Türkei) von Bagdad nach Teheran um. Zu dieser Zeit wollte der Generalstab der US Army sogar so weit gehen und Atombomben im Iran zur Abschreckung gegen die Sowjetunion stationieren. Dieser Plan scheiterte schliesslich am Widerstand des neuen US-Präsidenten John F. Kennedy.

Obwohl Kennedy der Nuklearen Prolifikation äusserst kritisch gegenüberstand, insbesondere im Falle Israels wo heimlich eine unterirdische Atomanlage in Dimona entstand und die israelische Regierung Katz und Maus mit Kennedy spielte, liess er den geschlossenen Vertrag von 1957 gewähren und die Konstruktion eines Forschungreaktors in dem frisch gegründeten "Tehran Nuclear Research Center" in der Universität Teheran vorantreiben. Nach dem Mord an Kennedy 1962 kam sein Vize Lyndon B. Johnson an die Macht, ein Texaner der weitaus weniger Bedenken in dieser Hinsicht hatte als sein Vorgänger.
Indes erkannte Shah Muhammad Reza Pahlavi dass, obwohl sein Land reich an Erdöl war, diese Ressource nicht ewig verfügbar sein wird und deshalb der Ausbau der Atomkraft zügig vorangetrieben werden sollte. Diese Feststellung lag insbesondere im Interesse der USA, die dadurch Investitionen in Milliardenhöhe in die eigene Nuklearwirtschaft erwartete. Diese Aussicht war ein Segen für die amerikanische Staatskasse nach der Ölkrise von 1973, als die Kosten für das Barrel Öl explodierten (Präsident Nixon gab dem Shah nahezu einen Freischein zum Kauf von militärischer und ziviler Hardware, sehr zum Missfallen des Verteidigungsministeriums und des Kongresses. Aber die USA brauchten eine Möglichkeit um die Dollars zu recyceln die sie für den Energiebedarf ausgeben mussten). Der ehemalige CIA-Direktor und zu diesem Zeitpunkt umstrittener US-Botschafter im Iran, Richard Helms, schrieb ein Memo an den einflussreichen Hofminister Amir Assadollah Alam:

"Wir haben die Priorität zur Kenntnis genommen die Seine Hoheit der Entwicklung von alternativer Energieproduktion durch Nuklearkraft gibt. Das ist ganz klar ein Gebiet wo wir höchst nutzbringend mit einem spezifischen Programm von Kooperation und Kollaboration beginnen könnten. Entsprechend empfehlen wir dass dies die erste Arbeitsgruppe unter unserer "Joint Economic Comission" bildet. Der Leiter der Atom-Energiebehörde ist bereit um so früh wie möglich mit einem Team von Experten nach Teheran zu reisen, um Wege und Möglichkeiten zu besprechen wie wir am Besten in diesem Bereich kooperieren können, basierend auf unseren eigenen Erfahrungen. Der Aussenminister (Henry Kissinger) hat mich gebeten, mit Nachdruck die Ernsthaftigkeit unseres Zieles und unseres Wunsches, mit ganzer Kraft und angemessener Weise nach vorne zu arbeiten, zu betonen ."

Plötzlich waren die Amerikaner bereit eine "Gemeinsame Wirtschafts Kommission" mit dem Iran zu bilden, obwohl dies noch vor der Ölkrise von Ende 1973 strikt abgelehnt wurde: aus Gründen der freien Marktwirtschaft!
Dieser plötzliche Wandel entging natürlich auch Hofminister Alam nicht, auch nicht die finanzielle Bürde für ein Atomprogramm welches in Zeiten von sprudelnden Petrodollars dem eigenen Volk nur schwer vermittelbar gewesen wäre um nicht den Eindruck zu erwecken, dass solch ein Nationales Projekt von den mittlerweile in Verruf geratenen Amerikanern dem iranischen Volk aufgezwungen wurde. Alam teilte dem Shah seine Bedenken mit, doch dieser antwortete darauf nur: "Wir werden nur unsere Beziehungen ausbauen die wir bereits haben, und nichts weiter."
Unbeirrt von solcher Kritik seines Hofministers arbeitete der Shah an dem Ausbau der "Atomic Energy Organization of Iran (AEOI)" weiter und unterstellte diese dem in der Schweiz in Neutronenphysik ausgebildeten Dr. Akbar Etemad. Dr. Etemad wird heute als der Vater des iranischen Atomprogramms bezeichnet.

Zur gleichen Zeit etwa liess Shah Muhammad Reza Pahlavi in einem Interview mit dem US-Magazin "The Christian Science Monitor" eine Bombe platzen (Juni 1974), als er ankündigte dass "Iran ohne Zweifel früher über Nuklearwaffen verfügt als manch einer denkt". Dass der Shah tatsächlich solche Ambitionen hegte, bestätigte auch der Leiter der iranischen Atomgesellschaft AEOI, Dr. Etemad. Er gab an, dass im Tehran Nuclear Research Center Experimente mit der Extraktion von Plutonium aus verbrauchten Brennstäben getätigt wurden. Weiterhin ordnete Shah Muhammad Reza Pahlavi die Gründung der "University of Military Sciences and Technology" in Isfahan an, welches komplett unter der Kontrolle des iranischen Militärs stehen sollte und dort nach chemischen und nuklearen Waffen geforscht werden sollte. Für die US-Regierung ging das allerdings einen Schritt zu weit, da sie dadurch eine ablehnende Haltung des Kongresses hinsichtlich der nuklearen Kooperation der beiden Staaten befürchteten (und dadurch keine Milliarden Einnahmen aus dem Iran).  Der Shah ruderte dann auch schnell wieder zurück und relativierte seine Aussage indem er sagte, dass "es keine Absicht gibt Nuklearwaffen zu erwerben, sondern wenn kleinere Staaten mit dem Bau von denen (Nuklearwaffen) beginnen würden, dann müsste Iran seine Politik überdenken."

Was viel wichtiger an diesem Szenario hinblicklich der aktuellen Iran-Debatte ist, ist die Tatsache dass obwohl der Shah sein Streben nach Nuklearwaffen öffentlich ankündigte, es in Israel keine Bedenken deswegen gab. Zu diesem Zeitpunkt betrachtete Israel den Iran als Verbündeten im Kampf gegen die Araber, und ein Verbündeter mit Atombombe kombiniert mit dem eigenen Nuklearwaffenarsenal würde die Araber seht gut in Schach halten können.

Der Höhepunkt der US-Iranischen Kooperation auf diesem Gebiet wurde am 03.03.1975 in Washington gefeiert, als ein Abkommen im Wert von 15 Milliarden US-Dollar unterzeichnet wurde indem sich die USA verpflichteten, insgesamt acht Atomkraftwerke im Iran zu bauen inklusive der ganzen notwendigen Infrastruktur.



Kopfzerbrechen machte der US-Regierung allerdings Irans Forderung nach Wiederaufbereitungsanlagen, wo bombenfähiges Plutonium selbst hergestellt werden könnte. Die Sorge galt aber nicht einem womöglichen missbräuchlichen Einsatz, sondern einzig und allein dem Widerstand des US-Kongresses zu diesem Schritt, wie ein geheimes Memo des US-Aussenministeriums vom Mai 1975 zeigte.  Obwohl es auch in den USA Stimmen gab, die in solch einer immensen Investition aus dem Iran eine Gefahr für das Land selbst sahen - nicht im Sinne eines Atomaren Irans, sondern als Gefahr für die iranische Wirtschaft zu überhitzen und somit eine Destabilisierung zu provozieren - hielt das Weisse Haus an diesem Programm fest. Die Kehrseite der Medaille war aber, dass der Shah die exorbitant gestiegenen Erdölpreise (die er ja selber in der OPEC durchsetzte) dringend benötigte um das Atomprogramm und seine unersättliche Lust nach amerikanischen High-Tech Waffen finanzieren zu können. Und hier zeigt sich dieses Paradoxon am Besten: einerseits verfluchte der Westen den Shah wegen seiner unnachgiebigen Haltung in der Ölfrage, andererseits aber wurde insbesondere von den USA genau diese Haltung indirekt gefördert um die ganzen Wirtschaftsverkäufe überhaupt abschliessen zu können. Die Leidtragenden waren hier wie da die normalen Menschen: in den USA und in Europa stiegen die Energiekosten in die Höhe und sorgten für Wut die sich teilweise in politische Tumulte verwandelte und im Iran fehlte das Geld im Volk an allen Ecken und Enden; trotz der Milliarden Einnahmen aus dem Erdölgeschäft.  Die Iraner hielten für diese Misere natürlich den Shah und die Amerikaner verantwortlich. Nebst dem wirtschaftlichen Unmut wuchs auch die repressive Antwort des Pahlavi-Regimes auf die immer lauter werdenden Rufe nach einem Wechsel. Diese Kombination führte schliesslich zur Islamischen Revolution Anfang 1979 und zur Absetzung des Shah.
 
 
Das Atomprogramm in der Islamischen Republik Iran
 
Man müsste meinen, dass angesichts des heutigen Streits um Iran`s Atomprogramm und insbesondere der US-Israelischen Hetzkampagne gegen den Iran die Islamische Revolution von 1978/1979 einen historischen Wendepunkt in der Beziehung zwischen diesen staatlichen Akteuren markieren müsste. Und in der Tat stellte die Vertreibung des Shah`s aus dem Iran einen Wendepunkt dar, aber nur in der bilateralen Beziehung zwischen den USA und dem Iran. Nicht aber so zwischen Israel und dem Iran.
Obwohl Ayatollah Khomeini, der Mann der Mitverantwortlich war für diesen Umsturz im Iran und als Imam das Geistliche wie auch politische Oberhaupt darstellte, für seine anti-israelische und anti-semitische Rhetorik berüchtigt war, wertete die israelische Regierung diese Rhetorik als das ein was es schliesslich auch nur war: Rhetorik! Hinter den Kulissen änderte sich natürlich vieles, z.Bsp. verloren die Israelis ihre Einflussnahme auf den iranischen Geheimdienst SAVAK den sie mit aufgebaut hatten. Aber im Kern ging für den Staat am Mittelmeer keine Gefahr von einem islamischen Iran aus. Im Gegenteil, man könnte meinen dass Khomeini`s Rhetorik zufolge sämtliche Wirtschaftsleistungen nach Israel gestoppt werden müssten, was zweifelsohne für beträchtliche Probleme in Israel zur Folge gehabt hätte. Aber nein, Khomeini belieferte beispielsweise auch weiterhin Israel mit dringend benötigtem Erdöl.
In Washington war man da schon etwas verunsicherter. Zum einen hatten die USA einen ihrer wichtigsten Verbündeten (und Kunden) in der Region verloren, zum anderen trafen tausende iranische Royalisten in den USA ein, in der Hoffnung politisches Asyl zu erhalten. Dass diese Menschen dann ihren amerikanischen Behörden den neuen Iran nicht in strahlendem Licht präsentierten, müsste eigentlich auf der Hand liegen. So herrschte in den Korridoren der Macht in Washington eine aus heutiger Sicht seltsam anmutende Atmosphäre Anfang der 1980er Jahre vor, als es Israel war, welches den Iran verteidigte und die Regierung bat, die iranische Rhetorik nicht Ernst zu nehmen.
 
Im Iran fand nach der Revolution der neue Ministerpräsident Mehdi Bazargan eine Situation vor, in der es halbfertige Atomkraftwerke wie jenes in Buschehr gab. Das deutsche Unternehmen Kraftwerk Union (Tochtergesellschaft von SIEMENS), welches mit dem Bau der zwei Reaktoren von Buschehr beauftragt wurde und diese bereits komplett bezahlt waren, zog sich kurz vor der anbahnenden Revolution zurück und hinterliess eine Baustelle. Das Geld erhielt der Iran allerdings nicht zurück! Nach Rücksprache mit dem Revolutionsrat und Ayatollah Khomeini entschied Bazargan, das Atomprogramm zu beenden, da einerseits die Mittel gar nicht dafür vorhanden waren und andererseits schon sehr bald Ungemach aus dem Irak drohte.  
Am 22. September 1980 marschierte Saddam Hussein mit Tausenden Soldaten in den Iran ein, in der Annahme, dass das noch nach wie vor im Tumult der Revolution befindende Land keine Gegenwehr leisten und somit eine leichte Beute sein würde. Diese Kalkulation traf anfänglich auch vollkommen zu. Die iranische Armee wurde von ihren royalistischen Offizieren nahezu vollumfänglich entledigt, so dass es keine Kommando- und Kontrollstruktur mehr gab und fast auch keine Spezialisten, welche die amerikanischen Waffensysteme hätten bedienen können. Der Irak erhielt die Unterstützung von sämtlichen arabischen Ländern die sich als Antwort auf die Islamische Revolution in der 1981 gegründeten "Gulf Cooperation Council (GCC)" formiert hatten. Insbesondere Saudi Arabien trat als Hauptfinancier des Iraks hervor. Vom Überfall auf den Iran im September 1980 bis April 1982 überwies Saudi Arabien monatlich 1 Milliarde! USD an Saddam Hussein, um die Kriegskasse der Iraker gut gefüllt zu halten. Im Laufe der Zeit erhielt Saddam auch Unterstützung aus den USA. Der Iran erhielt im Gegenzug Waffenlieferungen aus Israel, die sich vor einem siegreichen Irak mehr fürchteten als vor der Rhetorik Khomeini`s.
 
Das iranische Atomprogramm blieb während den Kriegsjahren 1980 - 1988 nichts weiter als ein Papierprogramm. Es gab mit Sicherheit Elemente in den Reihen der Revolutionswächter, die nach Wegen und Möglichkeiten suchten einen taktischen Vorteil gegenüber dem Irak zu erhalten, insbesondere nach den mit Chemikalien bestückten Raketenangriffen auf verschiedene Städte im Iran, darunter auch die mehrmalige Bombardierung von Buschehr.
Kurz vor seinem Tod verfasste Ayatollah Khomeini ein Schreiben in welchem er seine Gründe für einen Waffenstillstand mit dem Irak darlegt. Darin erwähnt er die Einschätzung seiner Kommandeure, dass angesichts der enormen Verluste und Niederlagen ein Sieg nur möglich wäre, wenn in den nächsten 5 Jahren die iranische Armee ihre Bestände an Panzer, Flugzeuge und Kampfhubschrauber massiv aufstocken würde. Und wenn das Militär "die Möglichkeit hätte, eine substantielle Anzahl an Laser und Atomwaffen herzustellen welche in dieser Zeit (1992) eine Notwendigkeit darstellen".
Nachdem das aber nicht realisierbar gewesen wäre und das Budget solche Ausgaben einfach nicht zuliess, sagte Khomeini dass die Entscheidung für einen Waffenstillstand einem "Trunk aus dem Giftbecher" gleich käme. Im zweitletzten Absatz des Schreibens sagt Khomeini einen der wichtigsten Sätze:
"Ich sage offen dass alle ihre Bemühungen der Rechtfertigung (des Waffenstillstandes) dienen sollen. Abweichende Aktionen sind haram (religiöses Verbot) und würden zu Reaktionen führen.
 
 
Golfkrieg 1991 veränderte die Welt
Über die Ursachen des Golfkrieges von 1991 gibt es unzählige Bücher und Meinungen und es soll auch nicht weiter das Thema hier sein. Allerdings ist das Resultat dieses Krieges von enormer Bedeutung, denn es änderte die Machtverhältnisse im Mittleren Osten von Grund auf.
 
Die Niederlage der irakischen Armee und der Zusammenbruch der Sowjetunion, sowie die Stationierung von hunderttausenden US-Soldaten im Persischen Golf, rissen die vorhandenen Strukturen auseinander. Für Israel bedeutete dies eine komplette Neuformulierung ihrer strategischen Sicherheitsdoktrin, galt doch bis zu diesem Zeitpunkt der Irak als Staatsfeind Nr. 1. Auch die Definition der "Peripherie-Doktrin" wurde damit hinfällig.
Obwohl der Iran kein direkter Nachbar Israels ist, verwandelte sich das Land quasi über Nacht von einem "natürlichen Freund" zum neuen potentiellen Staatsfeind Nr. 1. Das hat insbesondere damit zu tun, dass Israel von Beginn an der Überzeugung war, eine "Abschreckungsmacht" sein zu müssen. In diesem Krieg aber wurden den Israelis die Hände von George H. W. Bush gefesselt, trotz der 34 Scud-Raketen die Saddam in Richtung Tel Aviv abfeuern liess.
International wurde diese enge Beziehung zwischen den USA und Israel ebenfalls kritisiert. So sagte beispielsweise der britische Minister im Aussenministerium, Lord William Waldegrave, dass in der neuen Ordnung im Mittleren Osten Israel keine Rolle mehr spielt. Der Lord feuerte auch in Richtung Washington als er sagte: "die Vereinigten Staaten sollten lernen, dass eine strategische Allianz mit Israel nicht sonderlich von Nutzen ist wenn es nicht genutzt werden kann für eine Krise wie diese. Jetzt wissen die USA dass eine Allianz mit Israel, welche (die Allianz) man für diese Situation nicht nutzen kann auch nutzlos ist."
Genau diese Situation war es, vor welcher sich Israel am meisten fürchtete. Nicht genug dass die Welt langsam merkte welche katastrophale Auswirkung Israels Besatzungspolitik auf den gesamten Nahen Osten hatte, jetzt stand womöglich auch die einzig wichtige Allianz auf der Kippe in der die Vereinigten Staaten merken könnten, dass Israel tatsächlich kein Partner sondern eine Last ist. Der Iran erschien in diesem Szenario als DER ideale Prellbock, der für sämtliches Übel verantwortlich gemacht werden konnte. Und in dem die Sowjets von der Bildfläche verschwunden sind, brauchten auch die USA einen neuen Feind.
Diese Verknüpfung herzustellen war nun die Aufgabe der pro-Israel Lobby. Efraim Inbar von dem Begin-Sadat Center in Ramat Gan (Israel) bezeichnete das wie folgt: "Da war das Gefühl in Israel das wegen dem Ende des Kalten Krieges, die Beziehung zu den USA abkühlen und wir etwas neuen Kleber für die Allianz brauchen. Und der neue Kleber... war der radikale Islam. Und Iran war radikaler Islam."
 
 
In dieser Atmosphäre versuchte Ali Akbar Hashemi Rafsandjani das Atomprogramm zu reaktivieren. Grund dafür waren die Energieengpässe im zerstörten Land. Mit einem funktionierenden zivilen Atomprogramm und einem Ausbau der beschädigten Öl-Infrastruktur könnte der Iran unabhängig werden. Er versuchte erfolglos Deutschland dazu zu bewegen, seinen Verpflichtungen nachzukommen und das Atomkraftwerk von Buschehr fertig zu stellen, oder zumindest die Teile dafür zu liefern die noch immer in Deutschland lagerten. Länder wie Argentinien, Spanien und Tschechische Republik bekundeten Interesse das Kraftwerk fertig zu stellen, doch Washington übte so grossen Druck auf sie aus, dass sie ihre Angebote zurück ziehen mussten.
 
Auch auf iranische Angebote wie beispielsweise der von Rafsandjani initiierte Deal mit dem US-Ölunternehmen Conoco im Jahr 1995, welcher als Zeichen der Annäherung und Entspannung zwischen den beiden Ländern diesen sollte, ging das Weisse Haus nicht ein.
Ursprünglich hätte den Zuschlag für den Ausbau des Sirri Off-shore Ölfeldes das französische Unternehmen TOTAL erhalten sollen, doch der iranische Präsident versuchte es ein letztes Mal den Iran als Partner für die USA zu präsentieren. Aber auch diesen 1 Milliarde USD Deal torpedierte AIPAC und gab zu, dass "der Deal zwar Zufall war, aber ein praktisches Ziel." Nachdem der Druck der pro-Israel Lobby zu gross wurde, sah sich US-Präsident Bill Clinton gezwungen, persönlich einzugreifen um den Deal zu stoppen und gleichzeitig stärkere Sanktionen gegen den Iran zu verkünden.  
 
In dieser Zeit fing auch Israel an ein Schreckgespenst über das iranische Atomprogramm zu zeichnen und verkündete seit 1992 in regelmässigen Abständen, dass der Iran kurz davor steht Nuklearwaffen zu produzieren oder zu erwerben. Für das iranische Atomprogramm bedeutete dies, obwohl es ihr explizites Recht nach dem Atomwaffensperrvertrag ist (seit 1970 von der iranischen Regierung ratifiziert und implementiert), einen Ausbau eher im Stillen voranzutreiben da insbesondere die USA und Israel jeglichen öffentlichen Diskurs zur Diskreditierung nutzen würden.
Schliesslich schloss der Iran 1995 mit Russland einen Vertrag, zu welchem sich Moskau verpflichtete die Reaktoren 1 + 2 (in Buschehr) innerhalb von vier Jahren fertig zu stellen. Der Stand der Dinge zu diesem Zeitpunkt in Buschehr sah nicht anders aus als es die Deutschen 1978 hinterlassen hatten: Bushehr-1 war zu 90% fertig (wobei 40% des Equipments von Deutschland nicht geliefert wurden), Bushehr-2 zu 50%. Die tatsächliche komplette Fertigstellung von Buschehr und Anschluss an das Elektrizitätsnetz erfolgte allerdings erst im September 2012, nach einer "Verspätung" von 13 Jahren!
 
Interessant ist es auch mal zu hören weshalb die USA in der offiziellen Begründung von 1998 einem Atomprogramm im Iran u.a. ablehnend gegenüberstehen: weil der Iran keinen Bedarf an Atomenergie hat, hat es doch immense Gas- und Ölreserven welche einem Äquivalent von 9.3% der weltweiten Reserven entsprechen.
 
Das Drama beginnt
 
Im August 2002 eröffnet der politische Arm der Terrororganisation Mujahedeen e- Khalq (MEK), der National Council of Resistance of Iran (NCR), der Welt, dass der Iran über geheime Nukleareinrichtungen in Natanz und Arak verfügt. Ein Jahr später dann eine weitere Sensationsmeldung des NCR: es gibt noch eine geheime Anlage in Isfahan welche zum Bau von Nuklearwaffen bestimmt ist!
 
Die USA, EU, Israel und natürlich die Internationale Atomenergiebehörde IAEA konnten erst gar nicht glauben was sie da aus den Nachrichten erfahren haben. Später gelten diese "Enthüllungen" einer Terrororganisation (nach einer Millionen-teuren Propaganda Aktion der MEK wurde die Organisation schliesslich Ende 2012 von der US-Terrorliste genommen) als der Maßstab im Bezug auf Irans Absichten.
 
Nun könnte man in böser Absicht behaupten "wir haben es doch schon immer gewusst dass diese Iraner etwas im Schilde führen und Geheimnisse haben". Das entspricht in etwa der Haltung der USA und Israels und seit Neuestem auch Kanada`s. Dabei gibt es nur ein Problem: jedes Land hat zwangsläufig Geheimnisse und versucht ihre Interessen zu schützen! Gäbe es solche Geheimnisse nicht, bräuchte es keine Enthüllungsplatformen wie Wikileaks nicht bzw. würden die sogenannten Whistleblower nicht mit solcher Härte verfolgt werden.
Das hört in der Erklärung aber nicht hier auf. Was als Sensationsmeldung mit der angeblichen Geheimanlage ins Isfahan beschrieben wird (und in den Medien vorbehaltlos weiter verbreitet wird), ist der Welt mindestens seit 1974 bekannt!
Denn wie schon weiter oben erwähnt, gründete bereits Shah Muhammad Reza Pahlavi diese vom NCR beschriebene "Center for Nuclear Research" in Isfahan, allerdings unter dem Namen   "University of Military Sciences and Technology".
 
Auch die "Enthüllung" der NCR aus dem Jahr 2002 über die Urananreicherungsanlage von Natanz sowie die Schwerwasseranlage in Arak sind in Wirklichkeit keine grosse Story mehr, wenn man die rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Am 9. Februar 2003 gab der iranische Präsident Mohammad Khatami in einer Fernsehansprache öffentlich bekannt, dass es diese zum Atomprogramm zugehörigen Anlagen gibt. Die Deklaration bei der IAEA erfolgte vermutlich bereits etwas früher. War das aber illegal wie es von den USA immer wieder dargestellt wurde?
Nein, in keinster Weise! Denn gemäss dem IAEA-Abkommen zwischen der Internationalen Atomenergie Behörde und dem Iran, welches von 1976 bis 26.02.2003 gültig war, musste der Iran die neuen Anlagen erst 180 Tage vor der "Einführung von Nuklearmaterial in die Anlage" bei der IAEA registrieren! Zu dem Zeitpunkt der NCR "Enthüllung" war also a) das IAEA-Abkommen noch in Kraft und b) waren die genannten Anlagen noch weit von der Inbetriebnahme entfernt.
 
Solche Hintergründe werden aber von den Medien verschwiegen, weil diese einfach nicht ins Bild passen wollen die man vom Iran zeichnet. Wie oft hört man beispielsweise dass eine Atombombe in den Händen der "verrückten Ayatollahs" deshalb gefährlich ist, weil sie irrational sind und man deshalb nie sicher sein kann was sie mit so einer Waffe tun würden. Aber auch dieser Mythos wurde immer wieder als solcher entlarvt, wie ein RAND-Bericht (ein einflussreicher, dem Pentagon nahestehender Think Tank) zeigt oder selbst der ehemalige Mossad Direktor Meir Dagan in einem Interview sagte.
 
Die aktuelle Auseinandersetzung zwischen der - von den USA zu 25% finanzierten - IAEA und dem Iran dreht sich um die Militäranlage in Parchin. Die IAEA hat im Jahr 2011 einen Hinweis von einem "externen Geheimdienst" erhalten, der behauptete dass in Parchin Experimente von Explosionen und nuklearem Material gab. Solche Hinweise kommen in der Regel vom israelischen Geheimdienst Mossad, ohne aber konkrete Beweise darlegen zu können. Das Problem mit Parchin ist nun, dass es sich dabei um eine Militärische Installation handelt und nicht um eine Atomanlage. Das bedeutet dass die IAEA gar keine Berechtigung hat dort ein und aus zu gehen. Um eine Geste des guten Willens zu zeigen, liess der Iran die IAEA-Inspektoren seit 2005 zweimal ihre Untersuchungen in Parchin durchführen.
Die IAEA aber weigert sich bis heute, die Ergebnisse ihrer Untersuchungen dem Iran mitzuteilen, wie sie es eigentlich gemäss den Sicherheitsbestimmungen aus dem Vertrag (Art. 90) tun müsste:
 
 
 
 
 
 
Selbst der ehemalige IAEA-Inspektor Robert Kelley sagte, dass die Anschuldigungen der IAEA nicht durch Beweise erhärtet werden können. Also brachte man plötzlich einen sowjetischen Wissenschaftler ins Spiel, der gemäss der Beschreibung der Washington Post ein "Waffenspezialist war, und dem Iran über die Jahre geholfen hat High-Tech Zünder zu entwickeln die man für den Auslöser einer nuklearen Kettenreaktion braucht".  Dieser sowjetische Wissenschaftler wurde dann aber ziemlich schnell als der ukrainische Forscher Dr. Vyacheslav Davilenko enttarnt. Sein Spezialgebiet ist aber nicht die Nuklearforschung, sondern Nanodiamant-Technologie.
 
Dieses ganze Lügenkonstrukt und Ungereimtheiten, die Kriegsdrohungen und illegalen Sanktionen, machen erst aus einem zulässigen Atomprogramm etwas anderes, nämlich eine Frage der Ehre für das iranische Volk.
Noch im Jahr 2009 liess die IAEA verlauten, dass es keine "konkreten Beweise gibt dass der Iran ein Nuklearwaffen Programm hat oder es jemals hatte." Und solange die IAEA nicht wieder ihre zumindest teilweise Eigenständigkeit wie unter Dr. El Baradei zurück erlangt, sondern unter dem aktuellen japanischen Direktor Yukiya Amano sich "solide in einer Ecke mit den USA zu allen strategischen Schlüsselentscheidungen befindet, von hohen Personalfragen bis zur Handhabe des angeblichen Nuklearwaffen Programms im Iran", solange kann es keine Lösung zur Beilegung dieser Krise geben.  


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