Montag, 4. März 2013

Hasbara als strategische Waffe

Wie im letzten Thread angekündigt, folgt nun die Erklärung zur "Hasbara". Es ist eine Übersetzung zu diesem Thema von Chas W. Freeman Jr., ehemaliger US-Botschafter u.a. in Saudi Arabien und Teilnehmer an dem historischen Besuch von Präsident Nixon 1972 in China, der eine Rede am 01.12.2012 in Moskau hielt.

"Viele Diskussionsthemen wurden für diese Sitzung vorgeschlagen. In dieser kurzen Zeit die mir als Redner zusteht, möchte ich gerne einige Gedanken über die Kontrolle der Erzählung sowie die Manipulation von Informationen äussern, welche als wesentliche Elemente der modernen Kriegsführung gelten. Die Israelis nennen das "hasbara". Da sie ohne Zweifel die fähigsten zeitgenössischen Praktiker dieser Kunst sind, erscheint es als angebracht auch das hebräische Wort dafür zu nutzen. Und während Israel`s kürzlicher Krieg (gegen die Palästinenser in Gaza) erst vor zehn Tagen zum Ende kam, werde ich einige wenige Beispiele dieses Krieges zitieren um meine wichtigsten Punkte zu illustrieren.

Bevor ich zu den Einzelheiten komme, lassen Sie mich eine grundsätzliche Beschreibung von Hasbara und ihren Zwecken erläutern. Hasbara wird für gewöhnlich als "Erklärung" übersetzt. Damit wird man dem Konzept aber nicht gerecht. Hasbara verbindet Informations-Kriegsführung mit den strategischen Bemühungen des Staates, um die Einheit an der Heimfront zu stärken; um sich die Unterstützung von Alliierten zu sichern; Anstrengungen zur Bildung von feindlichen Koalitionen zu stören; um die Art und Weise zu bestimmen wie die Angelegenheiten von den Medien, Eliten, sozialen Netzwerke definiert werden; um die Parameter eines politisch korrekten Verlaufs zu setzen; um Kritiker und deren Argumente zu delegitimieren; und um das allgemeine Verständnis und Interpretation der Ergebnisse von internationalen Verhandlungen zu formen.
Hasbara ist facettenreich und dem digitalen Zeitalter gut angepasst. Es verkörpert eine öffentlich-private Partnerschaft in welcher der Staat führt, und entschlossene Freiwillige folgen um eine Informationsstrategie umzusetzen. In ihrer Reichhaltigkeit und Komplexität trägt es die selbe Beziehung zur eindimensionalen öffentlichen Diplomatie, wie es eine weitsichtige Strategie gegenüber den Plänen zum Wahlkampf tut.

Hasbara hat ihre Wurzeln in früheren Konzepten von Propaganda, Agitation und Zensur. Wie diese, ist es eine Kommunikation zur Beeinflussung von Erkenntnis und Verhalten durch Manipulation von Wahrnehmung einer Sache oder Position mit einseitigen Argumenten, abträglicher Substanz und emotionalen Appellen.  Im Gegensatz zu ihren Vorläufern versucht Hasbara nicht nur nationale Sorgenbilder zu polieren oder zu trüben, oder nur Informationen zu liefern welche ihren Thesen entsprechen. Es versucht aktiv den Kanon der "politischen Korrektheit" in nationalen wie ausländischen Medien und Zuhörerschaft einzuschärfen, welche dann von ganz alleine eine Selbstzensur fördern werden. Es strebt damit an, die Bereitschaft des Publikums zu verringern um Informationen im Zusammenhang mit politisch inakzeptablen Standpunkten, Einzelpersonen und Gruppen zu betrachten, sowie die Verbreitung von negativen Informationen in sozialen Netzwerken zu hemmen.

Bisherige Bemühungen von Staaten zur Bildung von einheimischer und ausländischer Meinung, hing von der Produktion von überzeugenden Informationen ab, sowie vom Bemühen das Publikum vom Zugang zu widersprüchlichen Informationen abzuhalten indem man die Zufuhr duch Zensur, Störung und anderen Techniken unterbrach. Im Gegensatz dazu unterstellt Hasbara den freien Informationsfluss innerhalb eines offenen Meinungsumfeldes. In diesem Kontext versucht es aber das selektive Zuhören zu fördern. Dessen Zweck ist die Nachfrage nach Informationen einzuengen, nicht deren Fluss. Obwohl Hasbara Anstrengungen enthält, den Zugang zu Informationen durch eine weite Auswahl von Techniken zu behindern welche an die neuen Informationstechnologien angepasst sind, fokussiert es sich doch darauf dem Publikum die Empfänglichkeit für Informationen zu begrenzen.

In diesem Kontext erkennt die Hasbara die Kontrolle der Erzählung als eine potente Waffe an. Die Erzählung ist ein Element der Rhetorik. Es definiert den Kontext. Wenn es erfolgreich eingesetzt wird, bietet es einen kognitiven Filter. Die Erzählung bietet einen umfassenden Rahmen zur Verbindung und Interpretation von Anlässen. Sie untermauern "Gruppendenken", gründen Basislinien zur Konformität und damit für Ausgrenzung.

In der Politik ist die Wahrnehmung die Realität. Die Erzählung legitimiert jene Wahrnehmung und delegitimiert eine andere. Erzählungen können herangezogen werden, um auferlegte Stereotypen durch vorteilhafte oder ungünstige Etikettierung von Informationen zu verstärken. Solche Etikettierung dient dazu, dass die Empfänger von Informationen manche Dinge als glaubwürdig akzeptieren, manche als unglaubwürdig, und wieder andere als so unplausibel und falsch, dass diese ausgeschlossen und ignoriert werden. (Ganz nebenbei gesagt, das Festhalten an Erzählungen ist der übliche Grund für das Scheitern von Geheimdiensten - die Unfähigkeit Beweise zu akzeptieren oder nicht einmal zu erwägen, dass irgendetwas ausserhalb der gefestigten Meinung im Begriff ist zu passieren.)

Wie die kürzlichen Kämpfe in Gaza zeigen, hat der moderne Staat eine weites Arsenal von Möglichkeiten zur Verfügung, um Erzählungen zu gestalten und sie zu erhalten. Israel kündigte den Krieg auf Twitter an. Israelisch kontrollierte oder geführte Quellen fütterten dann amerikanische Medien mit Stichpunkten, welche dann ohne Hinterfragung von zuvor konditionierten Journalisten und TV-Sendungen übernommen wurden. Zusätzlich zu den traditionellen Techniken wie Agitation, Desinformation und Propaganda in konventionellen Medien, hat der israelische Hasbara-Apparat seinen Schwerpunkt auf mehr fokussierte Kommunikationskanäle gelegt wie Facebook, Twitter und YouTube. Sie überschwemmten das Publikum mit Informationen welche vorteilhaft für ihre Zwecke waren und unterdrückten andere Informationen welche ihren Thesen wiedersprach. Das spiegelte vorsichtige Notfallplanung und Vorbereitung wieder.

Öffentliche Meinung wird vermehrt durch Social Media geformt. Der Staat von Israel hat eine zivilisierte Regierung und Militäreinheiten organisiert, um diese Möglichkeiten zu nutzen wie beispielweise Websiten zu designen, Social Media Konten zu gründen und Nachrichten von falschen Absendern zu versenden. Sie haben gelernt wie man Browser Funktionen, Suchmaschinen Algorytmen und andere automatisierte Mechanismen manipuliert, die die Informationen kontrollieren welche dem Internetnutzer präsentiert werden. Solche Manipulationen können sicherstellen, dass gewisse Kommentare und Informationen entweder als Treffer bei der Suche gezeigt werden oder eben nicht.

In einigen Ländern, wie den Vereinigten Staaten, kann sich Israel auf eine "Fünfte Kolonne" von Aktivisten und Sympathisanten verlassen um ihre Nachrichten zu verstärken, Aussagen zu widerlegen und diskreditieren welche ihren eigenen Argumenten und Fakten entgegengesetzt ist, sowie die moralische Stellung von denjenigen anfechten, welche solche Aussagen gemacht haben. Israel nutzt diese Möglichkeiten äusserst intelligent welche sich bei der öffentlich-privaten Propagandabeziehung auftun. Hier ein passendes Beispiel: die "Jewish Agency" für Israel sponserte ein online "Hasbara Handbuch" für Studenten rund um die Welt um es für israelische Zwecke zu nutzen.

Das "Hasbara Handbuch" erklärt viele Standardtechniken der Propaganda und der rhetorischen Täuschung. Es lässt spezifische Argumente und Konterargumente einstudieren, und zeigt ein Programm zum Training von Befürwortung und Widerlegung auf. Es unterstreicht auch die Wichtigkeit der Etikettierung oder "Beschimpfung" - also die Verknüpfung von einer Person oder einer Idee zu einem negativen Symbol. Das Handbuch selbst versteht sich in einem grösseren Kontext. Es würdigt die Arbeit von "CAMERA" (Committee for Accuracy in Middle East Reporting in America), eine Organisation berüchtigt für deren Boshaftigkeit in Rufmordkampagnen gegen viele, die Israel kritisieren oder Berichte von Geschehnissen verbreiten welche von der offiziellen israelischen Erzählung abweichen, in dem sie als "anti-semitisch" oder "selbst-hassende Juden" gebrandmarkt werden. Es hält fest, dass CAMERA ein kostenloses Monatsmagazin verteilt welches voll von aktuellem Hasbara Material für jüdische Studenten in den Vereinigten Staaten ist. Eine ungeahnte Anzahl von Israel-orientierten Think Tanks bieten ähnliche Anleitungen online an, wie es auch viele Websiten in Israel selbst tun.

Nebst dem sehen es viele amerikanische Rabbis als ihre Pflicht an, ihre Gemeinde zu Israel`s Verteidigung zu versammeln. Ein typisches Beispiel war ein Rabbi, der, als die Kämpfe in Gaza begannen, seinen New Yorker Gemeindemitglieder einschärfte dass sich "jeder selbst gut informieren soll um die Möglichkeit zu haben, Israel`s Fall klar und zwingend zu artikulieren... Das ist wichtig... Kein schräger Zeitungsartikel oder Berichterstattung oder elektronischer Report der nicht balanciert und unfair ist, darf unangefochten bleiben. Jene Medienorgane welche ständig anti-Israel sind, sollen mit Briefen und E-Mails überflutet werden wenn ihre Geschichten und Bilder ein Porträt malen, welche wir wissen dass es anders ist. Gespräche am Wasserspender, in Fitnessclubs und insbesondere an Feiertagsparty`s, dies alles sind Herausforderungen für uns. Bleibt informiert und lasst eure Stimme erhört sein."

Während der Kämpfe in Gaza versuchte Israel sich immer als unschuldiges Opfer von Hasserfüllten Arabern zu porträtieren. Zumindest in den Vereinigten Staaten waren sie mit diesem Vorhaben erfolgreich. Trotz der Tatsache das Israel die Eskalation initiiert hat welche schliesslich zum Krieg führte, tausend mal so viele Tonnen von Munition auf Gaza abgeworfen hat als von Gaza nach Israel abgefeuert wurden, einen Gegner vor sich hatte der über keine Luftverteidigung verfügte aber selbst über eine der weltbesten Luftwaffen verfügt, und dann demonstrierte wie die eigene Luftabwehr die selbstgebastelten Raketen von Gaza aus abfing, und dann 32mal so viele Bewohner von Gaza tötete als Israelis getötet wurden; trotz alledem haben die meisten Amerikaner diese Sache als Israel`s Recht auf Selbstverteidigung gegen Raketenangriffe bezeichnet. Fast niemand hat die Tatsache erwähnt, dass Gaza bereits 8 Jahre unter israelischer Belagerung stand bevor es zum Ausbruch der letzten Kämpfe kam.

Sobald der ägyptische Präsident Mohammed Morsi einen Waffenstillstand zwischen Israel und den Behörden der Hamas in Gaza arrangierte, setzten sich die israelischen "Hasbaristas" in Bewegung um den Gazakrieg in zuvor unerwähnten (und komplett fiktiven) Bezug zum Iran zu verbinden, welche die Hasbara bereits vorher dämonisiert hat.

Israel ist ein kleines Land, umgeben von Feinden und abhängig von kontinuierlichen Subventionen und militärischer Unterstützung der Vereinigten Staaten. Wie auch immer man die Weisheit von Israel`s Politik oder deren Mangel bewertet, es kommt nicht überraschend in diesem Kontext dass Israel den Weg anführt, um die Wichtigkeit des Informationskrieges zu verstehen und neue Konzepte zu entwickeln wie man sie leitet. In moderner Kriegsführung kann das Kommando über die Informationsumgebung ebenso wichtig sein wie die Kontrolle über das Schlachtfeld."





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