Mittwoch, 8. Mai 2013

Was macht Hezballah?

Die illegalen Luftangriffe der Israeli auf Ziele in Syrien vom Wochenende haben nicht nur Präsident al-Assad in Bedrängnis gebracht, sondern auch die Hezballah im Libanon. Aber aus ganz anderen Gründen als man das vielleicht im ersten Augenblick meinen möchte.

Für den syrischen Präsidenten ist die Situation eine andere. Er steht nun unter dem Druck seines Militärs, eine entsprechende Antwort zu liefern. Tut er das nicht, hat er sein Gesicht verloren und denjenigen Soldaten welche die wahhabitischen Fundamentalisten bekämpfen, ihren Stolz genommen. Denn diese Soldaten kämpfen nicht für Assad, für den Iran oder für Russland, erst recht nicht lassen sie sich als Schachfiguren für ein geopolitisches Machtspiel einspannen, sondern sie kämpfen und sterben für ein Syrien welches wie aus längst vergangenen Zeiten erscheint. Stolz und Ehre spielt dabei eine wesentliche Rolle, wie übrigens auch in anderen Bereichen des normalen Lebens (und nicht nur in Syrien!). Wenn aber wiederholt schwere Angriffe von Israel geflogen werden, dem Land welches offiziell nach wie vor im Kriegszustand mit Syrien ist, MUSS irgendeine Reaktion erfolgen damit diese Emotionen bedient werden. Macht al-Assad nichts dergleichen, riskiert er den Zusammenbruch der Moral seiner Truppen mit möglicherweise fatalen Folgen für das syrische Volk.
Aus diesem Grund informierte Assad am Montag Moskau, sollte sich noch ein dritter israelischer Angriff ereignen, würde Syrien sofort zurückschlagen. 

Zwar werden die Israeli nicht müde zu betonen dass das Ziel nicht Assad war, sondern die Hezballah und indirekt auch der Iran. Damit nicht genug der Probleme für die libanesische "Partei Gottes", versteht sie sich auch als Wächterin der schiitischen Unterdrückten. Im Grenzgebiet zwischen Syrien und Libanon gibt es immer mehr Übergriffe der wahhabitischen Jihadisten auf die lokale schiitische Bevölkerung, welche als Apostaten gelten und für einen in der Ideologie des Abdul Wahhab indoktrinierten Extremisten zu den grössten Feinden des Islam gehören.
Wer aber beschützt diese Lokalbevölkerung vor den Übergriffen der ausländischen Extremisten? Die syrische Armee ist dazu nicht in der Lage, ist sie doch zu sehr damit beschäftigt wichtige Nachschubwege für ihre Offensive gegen die "Rebellen" zu halten und natürlich die Offensive durchzuführen.
Dazu kommt noch, dass die Schiiten in diesem Grenzgebiet oft familiär mit dem Libanon verbunden sind. Die Grenzen welche nach dem Ersten Weltkrieg gezogen wurden, richteten sich nicht nach den Stammesstrukturen und konfessionellen Gegebenheiten (wie im Übrigen in vielen anderen Ländern im Nahen Osten oder auch Asien), so dass ein Teil der Familie plötzlich Syrer wurde und der andere Teil Libanese. Aber die Familienbande blieb bestehen.
Wenn also die syrische Armee nicht für den Schutz seiner Bevölkerung in diesem Gebiet garantieren kann und die wahhabitischen Extremisten wie Jabhat al-Nusra es aber auf die Schiiten und deren Heiligtümer abgesehen haben, bleibt in letzter Konsequenz nur noch die Hezballah übrig welcher über die entsprechenden Mittel und den Willen dazu verfügt.

Glaubt man den Berichten von unabhängigen Reportern und Aussagen der Hezballah selbst, haben sich die Milizen der "Partei Gottes" bisher um den Schutz dieser Lokalbevölkerung gekümmert und Stellungen der wahhabitischen Extremisten beschossen. Das könnte sich aber bald ändern.
Denn der Druck der Schiiten auf den Anführer der Hezballah, Hasan Nasrallah, etwas gegen diese Jihadisten zu unternehmen nimmt beständig zu. Es sind nicht nur die Schiiten im Libanon die diesen Druck auf ihn erhöht haben, sondern auch aus Syrien und aus dem Irak.
Das grösste Problem dabei aber war für Nasrallah die Tatsache, dass sich die Hezballah als eine Widerstandspartei gegen Israel und deren Machtprojektion auf andere Länder versteht. Immerhin erlebte die Hezballah ihre Taufe während der Invasion Israels in den Libanon 1982. Sie hielt sich dann auch später aus dem Bürgerkrieg im Libanon zurück, da es nichts mit dem Widerstand gegen Israel zu tun hatte. Diese Selbstdefinition brachte der Partei Ende der 1990er Jahre und insbesondere im Krieg von 2006 gegen Israel enorme Pluspunkte auf der arabischen Strasse, obwohl es sehr wohl religiöse Resentiments seitens der Sunniten für die schiitische Partei gab.
Mit der Ausweitung der "Revolution" von Syrien auf einen Konfessionskrieg zwischen Sunniten (hauptsächlich von wahhabitischen Ideologen geführt) und Schiiten, änderte sich auch der Blickwinkel der arabischen Strasse auf die Hezballah und deren Taten. Die bisherige Zurückhaltung von Hasan Nasrallah zeugt davon, dass die Führung um ihn herum sich der Tragweite einer massiven Intervention der Hezballah in Syrien bewusst ist. Solch ein Einsatz hätte nichts mit der Selbstdefinition des Widerstandes gegen Israel zu tun, sondern würde sie auf eine Linie mit den wahhabitischen Extremisten reduzieren. Und das wiederum würde sehr wahrscheinlich das Aus als politische Macht im Libanon für die Hezballah bedeuten.

Die Angriffe der Israeli aber könnten genau diesen Zwiespalt lösen und ein Ventil für den enormen Druck der Schiiten sein. Bereits nach dem ersten Angriff Israels vom 03.05.13, liess die Partei folgende Presseerklärung verkünden:
"Hezballah ist bereit den Fall Syriens unter die Kontrolle von Tel Aviv und Washington zu verhindern.
Bereits zuvor deutete Hasan Nasrallah an, dass Syrien "echte Freunde in der Region und der Welt hat, und dass diese nicht zulassen werden das Syrien in die Hände von Amerika, Israel oder takfiri (muslimische Extremisten die andere Muslime töten) Gruppierungen fällt."
Solche Aussagen würde die Hezballah nicht machen ohne das eine entsprechende Taktik und Rückversicherung dahinter steht. Natürlich besteht die Möglichkeit dass es "nur" zum Repertoire der psychologischen Kriegsführung gehört. Die Fakten sprechen aber eine andere Sprache. Trotz allem betonte Nasrallah aber, dass nur eine diplomatische Lösung den Frieden nach Syrien zurück bringen könne.

Die Frage ob und wie Hezballah reagieren wird, ist auch davon abhängig welche Schritte Washington als Nächstes unternimmt. US-Offizielle gaben noch in der Nacht nach dem ersten Angriff an, dass die USA ebenfalls "militärische Optionen" überprüfe und eigene Luftschläge ausführen könnte. Das waren bisher die klarsten Worte aus Washington. Sollte es zu solchen amerikanischen Angriffen kommen, würden diese von der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik stattfinden und die bereits im Dezember stationierten Patriot-Raketen im türkisch-syrischen Grenzgebiet würden diese Einsätze abschirmen.
Das die Kriegswütigen Senatoren wie John McCain oder Bob Menendez eine amerikanische Intervention am liebsten umgehend sehen würden, ist nichts Neues. Doch Bob Menendez hat nun einen Antrag im Senat gestellt, welcher die USA verpflichten würde die Rebellen mit schwerem Kriegsgerät auszustatten. Als Grundlage dient die angebliche Nutzung von Saringas durch die syrische Armee, obwohl Carla del Ponte in ihrem UN-Bericht genau das Gegenteil behauptete.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die USA und Israel in diesem gefährlichen Spiel zurückhalten werden oder ob der israelische Ministerpräsident Netanyahu weiter auf Eskalation setzt. Das seine Politik sich als höchst gefährlicher Boomerang erweisen könnte, zeigte ihm auch der russische Präsident Vladimir Putin in einem Telefonanruf nach Shanghai, wohin Netanyahu gereist ist nachdem er den Befehl für die Luftschläge gegeben hatte. Putin warnte Netanyahu, dass Russland keine weiteren Angriffe Israels tolerieren werde, ansonsten müsse er entsprechende Schritte einleiten. Aus israelischen Militärkreisen will man erfahren haben, dass diese "Schritte" hochmoderne russische Raketen für Syrien sein sollen.

Eine Frage wird sein, ob sich genügend weltweiter Protest gegen die anbahnende Katastrophe im Nahen Osten bilden wird um die Politik in Washington, London, Paris und Berlin unter Druck zu setzen. Eine andere Frage wird auch sein, was die wahhabitischen Extremisten, oder Terroristen wie sie Jeff Steinberg vom "Intelligence Review Magazin" nennt, tun werden. Sie könnten das Zünglein an der Waage sein wenn sie schiitische Heiligtümer wie die Sayyidah Zaynab Moschee (Zaynab war eine Enkelin des Propheten Muhammad) in Damaskus in die Luft sprengen würden.


Eine solche Tat würde unweigerlich die Verurteilung aus der gesamten schiitischen Welt hervorrufen und die Hezballah zum richtigen Eintritt in den Sumpf des syrischen Krieges zwingen. Nimmt man die kalte Logik eines jeden Kriegsplaners zugrunde, würde diese abscheuliche Tat den Zielen Israels sehr gut dienen. Nasrallah müsste in diesem Fall mit Entschlossenheit eingreifen, andernfalls er massiv an Statur unter den Schiiten verlieren und somit auch die Hezballah von innen schwächen würde. Es ist ein trauriges Machtspiel des Westens geworden, in dem es überhaupt nicht mehr um die Menschen in Syrien geht. Im Gegenteil, sie wurden in diesem blutigen Schachspiel zu Läufern degradiert.

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