Montag, 1. Juli 2013

Bomb Iran?

Wie wenig Achtung manche amerikanische "Nahost Experten" vor dem Leid haben, welches die US-Kriegsmaschinerie über die Menschen bringt wo Washington zuschlägt, beweist aktuell niemand besser als Daniel Pipes. Bekannt als resoluter Zionist, betreibt er eine regelrechte Weltweite Lobbykampagne wo er in Radiosendungen und TV-Shows auftritt, um dort für die Neokonservative bzw. Israelische Agenda die Werbetrommeln zu rühren. Ausserdem ist Daniel Pipes der aussenpolitische Berater für Senator John McCain, welcher zu den grössten Kriegshetzern der Vereinigten Staaten von Amerika gehört.

Was aber Daniel Pipes vor Kurzem wieder auf seinem Blog geschrieben hat, zeigt ganz klar wie sehr die Neokonservative Weltsicht verkommen ist. Pipes schreibt, dass er seine These von einem Angriff auf iranische Nuklearanlagen wieder ins Gespräch bringen möchte (diesen Angriff empfahl er bereits im Jahr 2010) um Präsident Obama vor seinem politischen Niedergang zu beschützen. Das muss man sich einmal vorstellen: ein intelligenter und gut ausgebildeter Mann mit einer ziemlich grossen Anhängerschaft, dazu noch in der Politik und dem Militärisch-Industriellen-Komplex gut vernetzt, empfiehlt einen Krieg gegen den Iran vom Zaun zu brechen und dabei Zehntausende Menschen umzubringen, nur damit Obama nicht in seinem eigenen Sumpf untergeht?
Mit keinster Silbe erwähnt Pipes die Konsequenzen aus solch einem Angriff, weder für das iranische Volk noch für die USA selbst.

Obwohl man fast hören konnte wie der Westen nach der Präsidentschaftswahl im Iran ausgeatmet hat nachdem klar war, dass der neue iranische Präsident Hassan Rohani heisst, ist die Gefahr eines solchen illegalen Angriffs meiner Meinung nach alles andere als vom Tisch. Der gesunde Menschenverstand besagt eigentlich, dass ein Angriff auf operative Nuklearanlagen katastrophale Auswirkungen nicht nur auf das betreffende Land haben wird, sondern auf eine gesamte Region welche der radioaktiven Wolke ausgesetzt sein würde. Es gibt bereits zwei wichtige Studien welche solche Szenarien vorgestellt haben. Eine Studie beschäftigte sich mit der Auswirkung der Bombardierung der Atomanlagen von Bushehr, Natanz, Isfahan und Arak auf potentielle Opferzahlen. Die Zahlen sind erschreckend: 85`000 Menschen könnten in den ersten Minuten nach den Angriffen den Tod finden, die Region auf Jahre verseucht bleiben. 
Die andere Studie beschäftigte sich ebenfalls mit Opferzahlen eines Angriffes auf die Nuklearanlagen, allerdings unter Berücksichtung eines Angriffes mit taktischen Nuklearwaffen. Der militärische Vorteil - und an dieser Stelle muss ich mich für diese Menschenverachtende Wortwahl entschuldigen - wäre es, dass die Zerstörung der Ziele gewährleistet wäre und deutlich weniger Trägersysteme die Durchführung des Angriffes benötigt würden. Für einen konventionellen Angriff rechnen die Kriegsplaner mit etwa 75 Bomber des Typs F-15 und F-16, welche mit den stärksten und grössten Bunkerbrechenden Bomben bestückt sein müssten. Für einen Angriff mit taktischen Nuklearwaffen könnte der Aggressor (egal ob Israel oder die USA) auf Trägersysteme wie die Jericho-Langstreckenraketen zurückgreifen, oder auf die von Deutschland gelieferten U-Boote der Dolphin Klasse. Bei solch einem Angriff wäre die humanitäre Katastrophe noch gewaltiger, noch unfassbarer: 93% der Einwohner von Arak, oder 424`000 Menschen würden bei einem Nuklearangriff auf die Schwerwasseranlage den Tod finden. 

























Angesichts solcher Horrorszenarien fragt man sich wie Daniel Pipes ungestraft zum Völkermord aufrufen kann. Doch wie real ist diese Gefahr tatsächlich? Darauf gibt es leider keine Antwort. Oft entscheiden rhetorische Geplänkel über Krieg oder Frieden, und mit dem neuen Präsidenten Rohani ist in Teheran ein Staatschef an der Macht der nicht bekannt für rhetorische Ausfälligkeiten ist. Und dennoch ist die Situation aus meiner Sicht nicht gänzlich entschärft. Hier die wichtigsten Gründe weshalb ich die Gefahr nach wie vor als real einstufe:

- Israel zeigte sich im Gegensatz zu vielen anderen Ländern nicht sonderlich erfreut über den Ausgang der Präsidentschaftswahlen im Iran. Ministerpräsident Binyamin Netanyahu sagte am 16.06.2013, zwei Tage nach der Wahl im Iran, dass "die internationale Gemeinschaft nicht in Wunschdenken verfällt und in Versuchung gerät, den Druck zur Beendigung des iranischen Atomprogramms zu reduzieren". Und wieder zwei Tage später meldete der russische Aussenminister Sergey Lavrov, dass Iran bereit wäre die Anreicherung von 20% auf aktuellem Niveau auszusetzen. Doch noch am selben Tag erteilte Netanyahu dieser Ankündigung von Lavrov eine klare Absage. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem kanadischen Aussenminister John Baird, der ebenfalls ein gestandener Zionist ist, sagte Netanyahu: "Wir können nichts Weniger akzeptieren als: 1) die komplette Einstellung sämtlicher Anreicherung von Nuklearmaterial auf allen Ebenen. 2) die Entfernung von sämtlichem angereichertem Material aus Iran. 3) die Schliessung aller unerlaubten iranischen Nuklearanlagen."
Das diplomatische Pendel schwingt aber zur Zeit eher wieder zurück in Richtung iranische Seite. Und gerade DAS schmeckt der israelischen Regierung überhaupt nicht. 

- Sollte sich Israel dazu entschliessen tatsächlich eine Annäherung des Westens an den Iran zu torpedieren, wäre ein Angriff ein solches Instrument. Die USA wiederum wären gesetzlich dazu verpflichtet, nachdem die von der zionistischen Lobby beeinflussten Senatoren die Resolution 65 verabschiedet haben, im Kriegsfall dem israelischen Staat militärisch, wirtschaftlich und diplomatisch zu Hilfe zu eilen. Damit wäre eine diplomatische Normalisation zwischen dem Iran und den USA auf sehr lange Zeit nicht mehr möglich. Und DAS empfindet die gegenwärtige israelische Regierung als strategisches Nationales Interesse.

- Daniel Pipes hat schon Recht mit der Aussage, dass Präsident Obama eine äusserst schwierige innenpolitische Krise durchstehen muss und das ein Krieg von diesen ganzen Problemen ablenken wird. Zwar zeigen Umfragen dass das amerikanische Volk nicht sonderlich begeistert von einem Krieg gegen den Iran wären (75% waren laut Umfragen letztes Jahr dagegen), doch wie schon so oft in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika braucht es nicht viel, dass diese Stimmung sehr schnell kippen kann. Die Neokonservative Clique um Dick Cheney, Donald Rumsfeld & Co. brachte das in ihrem Project for the New American Century direkt auf den Punkt: ein neues Pearl Harbor könnte die öffentliche Meinung schnell beeinflussen. Es bleibt abzuwarten ob sich der Skandal um das Überwachungsprogramm PRISM zu einem Massenprotest in den USA entwickelt oder nicht. Aber wenn doch, käme eine Ablenkung für Obama gerade zum rechten Zeitpunkt.

- Man unterschätzt sehr den Einfluss der Berater um einen Präsidenten herum. George W. Bush hätte vermutlich niemals alleine den Plan verfolgt, in den Irak einzumarschieren. Aber nachdem seine Berater und Minister fast ausschliesslich aus Mitgliedern des Project for the New American Century (PNAC) bestanden, war der Druck und der Einfluss auf einen nicht sonderlich erfahrenen Präsidenten wie George W. Bush ausserordentlich gross. Nun ist Barack Obama auf gar keinen Fall mit seinem Vorgänger zu vergleichen, im Gegenteil. Aber dennoch umgibt er sich mit Beratern, von denen die meisten dem zionistischen Lager anzurechnen sind. David Axelrod, Rahm Emmanuel, Dennis Ross, Timothy Geithner, Ezekiel Emanuel, um nur einige aus Obamas erster Amtszeit zu nennen. In seiner zweiten Amtszeit kommt nun aber ein regelrechtes Schwergewicht als Nationale Sicherheitsberaterin, wenn es um das Thema Krieg geht: Susan Rice. Bis vor kurzem noch US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen in New York, wo sie mehr als einmal sagte dass die "Verteidigung Israels einen Grossteil ihrer Zeit beanspruche", gehört Rice zu jenen Politikern die dem amerikanischen Interventionismus nicht im Geringsten abgeneigt sind. Egal welcher Vorschlag für einen US-militärischen Einsatz kam, Rice gehörte zu den Befürwortern. Als Nationale Sicherheitsberaterin sollte sie aber eine objektive Beraterin sein, die den nationalen Interessen der USA verpflichtet ist. Wenn aber die Nationale Sicherheitsberaterin bereits eine Reputation als, sagen wir mal dem Einsatz von Waffengewalt nicht abgeneigt, besitzt, und der Präsident sie dennoch auf diese Position erhebt obwohl sie bereits als potentielle Aussenministerin genau deswegen gescheitert ist, dann dürfen Zweifel an der Objektivität von Rice im Falle einer Zuspitzung mit dem Iran angebracht sein.


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