Montag, 11. November 2013

Frankreich sprengt die Hoffnung und positioniert sich neben Saudi Arabien

Die Welt stand so kurz vor einer Einigung in den Atomverhandlungen mit Iran in Genf. Obwohl dieser erste Vertrag nur für 6 Monate Gültigkeit besessen und das generelle Problem des Westens nicht gelöst hätte, war es doch immerhin ein Vertrag.

Dass die Welt diesen Vertrag unbedingt haben wollte zeigte sich auch daran, dass sich in Genf eine hochkarätige Mannschaft eingefunden hatte: US-Aussenminister John Kerry, der russische Aussenminister Sergej Lavrov, der britische Aussenminister William Hague, der deutsche (noch) Aussenminister Guido Westerwelle, der chinesische Vize-Aussenminister Li Baodong, die EU-Aussenministerin Catherine Ashton, der iranische Aussenminister Mohammad Javad Zarif,  und dann auch noch der Mann, der die Party sprengte: der französische Aussenminister Laurent Fabius.
Es wäre der einzig richtige Weg in die Zukunft gewesen, auch wenn wie gesagt dieser Vertrag nicht viel Substanz hatte, so wäre es doch ein Zeichen oder viel mehr ein Symbol gewesen.

Die Aussenminister haben sogar schon den Vertragsentwurf vor sich liegen gehabt und es herrschte prinzipielle Einigkeit darüber dass man diesen Weg gehen möchte, bis kurz vor der Unterzeichnung der Franzose Fabius sich weigerte seine Unterschrift unter den Vertrag zu setzen.
Für Frankreich gehe die "Forderungsliste an den Iran nicht weit genug", weil sie "zu grosszügig wäre um in der Lockerung der Sanktionen zu resultieren".
Laurent Fabius ging sogar soweit und brach die getroffenen Abmachungen über das Protokoll dieser Verhandlungsrunde, welche ganz klar besagte dass keinerlei Informationen über den Stand der Verhandlungen an die Öffentlichkeit sickern und dass das Endergebnis von Catherine Ashton und Mohammad Javad Zarif bekannt gegeben wird. Beide Male fiel der Franzose dem Protokoll in den Rücken und sagte: "Man möchte einen Deal... aber keinen Deppendeal!"

Damit muss der französische Aussenminister dem israelischen Ministerpräsidenten Binyamin Netanyahu aus dem Herzen gesprochen haben. Dieser warnte in ungewöhnlich harschen Tönen US-Aussenminister John Kerry, der sich in den letzten Tagen in Israel und Palästina aufhielt und kurzerhand von Tel Aviv aus nach Genf aufgebrochen ist nachdem es tatsächlich den Anschein machte, einen Vertrag mit Iran abschliessen zu können: "Ich verstehe dass die Iraner zufrieden in Genf umherlaufen können, weil sie es auch sein können, weil sie alles bekommen haben und nichts dafür zahlen mussten. Sie wollten Sanktionslockerungen nach Jahren von zermürbenden Sanktionen, und sie bekommen es. Sie zahlen nichts dafür weil sie in keinster Weise ihre Nukleare Anreicherungsmöglichkeit reduzieren. So erhält der Iran den Deal des Jahrhunderts und die internationale Gemeinschaft erhält einen schlechten Deal. Das ist ein sehr schlechter Deal. Israel lehnt das vollkommen ab und das was ich sage, wird von vielen, vielen in der Region geteilt, ob sie es nun öffentlich sagen oder auch nicht. Israel ist dieser Vereinbarung (dem möglichen und nun zunichte gemachten Deal) nicht verpflichtet und Israel wird alles unternehmen was notwendig ist um sich selbst zu verteidigen, um die Sicherheit seines Volkes zu verteidigen."

(Diesem Skript folgt offensichtlich auch Dieter Bednarz vom Spiegel, der in der letzten Ausgabe des Magazins schrieb: "Nach den Genfer Gesprächen verkündeten Irans Unterhändler, sie könnten sich vorstellen, "in der letzten Stufe" der Verhandlungen unangemeldete Inspektionen durch die Internationale Atomaufsichtsbehörde zuzulassen. Wie grosszügig! Tatsächlich ist vollständige Transparenz des Nuklearprogramms Voraussetzung für die Aufhebung der Sanktionen. Das sieht nicht nur der israelische Premier Benjamin Netanyahu so, obgleich er es als Einziger deutlich sagt. Vielleicht sollte Herr Bednarz (noch)mal den Vertrag zwischen der IAEA und Iran durchlesen der unterzeichnet und ratifiziert wurde, darin steht nichts von "unangemeldeten Inspektionen" als Vertragsgegenstand, siehe auch meinen Bericht hier. Nur weil es Netanyahu so sieht, muss das noch lange nicht, oder besser gesagt, dann erst recht nicht heissen dass es tatsächlich so ist. Vielleicht sollte man sich die Worte des ehemaligen britischen Aussenministers Jack Straw in Erinnerung rufen, der Netanyahu wie folgt beschrieb: als "Angriffslustigen Cheerleader der Kriegspartei")

Moment mal, wie kann Israel einen Deal oder Vereinbarung ablehnen, an welchem Israel nicht einmal beteiligt ist? Und wie kann Israel dieser Vereinbarung nicht verpflichtet sein wenn es doch gar nicht an diesen Verhandlungen teilgenommen hat, und wieso und vor was oder wem muss sich dann Israel verteidigen? Wer hat an diesen Verhandlungen in Genf Israel gegenüber eine Drohung ausgesprochen? Ich glaube solche oder so ähnliche Gedanken dürften auch John Kerry durch den Kopf gegangen sein, weil er nämlich auf diese Tirade Netanyahu`s nicht geantwortet hat bevor er in sein Flugzeug in Richtung Genf gestiegen ist.
Aber dafür hatte der französische Aussenminister Fabius eine Antwort parat: "Die Sicherheitsbedenken von Israel und einigen arabischen Nachbarn des Irans müssen nach wie vor berücksichtigt werden."
Kein Wunder jubelte der US-Senator und als Kriegstreiber bekannte Senator John McCain auf seiner Twitter Seite: "Frankreich hatte die Courage einen schlechten Deal mit Iran zu verhindern. Vive la France!"

Da haben wir es also; Frankreich knickt vor dem Druck Israels und Saudi Arabiens ein. Den besten Bericht über Frankreich`s Gründe in den Medien fand ich bei der Los Angeles Times, obwohl da auch nicht alles angesprochen wurde beziehungsweise nicht zu tief nachgebohrt wurde.

Trotzdem ist diese Entwicklung alles andere als unbedingt tatsächlich überraschend. Frankreich war es, das heimlich Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre den israelischen Atomreaktor von Dimona baute, Frankreich war es das zusammen mit Israel und schliesslich auch mit Grossbritannien den Suezkrieg von 1957 vom Zaun gebrochen hat, nur um dann von den neuen Grossmächten USA und Sowjetunion wieder zurückgepfiffen zu werden. Auch die Praxis von Kommissionszahlungen bei Rüstungsgeschäften ist den Franzosen alles andere als neu, und führte deswegen zu 11 französischen Todesopfern im Jahr 2002 im pakistanischen Karatchi, nachdem Paris sich weigerte die vereinbarten Schmiergelder an Pakistan zu überweisen.Frankreich ist es auch, dass in Syrien Seite an Seite mit Saudi Arabien im Krieg gegen Bashir al-Assad steht.

Wo bei Israel die ebenfalls sehr einflussreiche zionistische Lobby in Frankreich eine nicht unerhebliche Rolle spielt, spielen im Falle Saudi Arabiens handfeste wirtschaftliche Gründe und Interessen die grösste Rolle. Hier nur einige Meldungen der französischen Rüstungs- und Energieindustrie der letzten Monate:

- 1,1 Milliarden € für Modernisierung der saudischen Fregatten, neue Verhandlungen über 2.0 Milliarden € zur Modernisierung der saudischen Luftabwehr

- 400 Millionen US-Dollar für französische Entsalzungsanlage

- Nukleardeal zwischen Saudi Arabien und Frankreich wurde vom Kabinett bestätigt

- Hollande sucht einen Deal mit Qatar für Rafale Kampfjets

- Frankreich übernimmt die Führung in Waffenexporten auf die Arabische Halbinsel

Für ein Land wie Frankreich das unter einer enormen Schuldenlast ächzt, sind solche Schlagzeilen natürlich Gold wert und sichern zumindest für einige Zeit einige tausend Arbeitsplätze. In Paris glänzten die Augen noch viel mehr, als wie sich nun herausstellte, genau der Mann zu einem persönlichen Gespräch mit Prinz Bandar bin Sultan eingeladen wurde, der am Wochenende den Deal mit Iran platzen liess. Ja genau, Laurent Fabius soll der geheimnisvolle "westliche Diplomat" sein, den das Wall Street Journal zitierte. Dort soll diesem Bericht zufolge sich der saudische Geheimdienstchef über die Amerikaner ausgelassen haben und dem französischen Aussenminister eine engere Kooperation zwischen Saudi Arabien und Frankreich angeboten worden sein.
Unter engerer Kooperation versteht man Waffenkäufe und den Kampf gegen Assad sowie dem Iran. 

Trotz allem darf etwas Optimismus haften bleiben, dass bei der nächsten Runde in Genf, auch wenn sie aller Voraussicht nach nicht so hochkarätig bestückt sein wird wie letztes Wochenende, dem Ziel einer Annäherung ein Stück näher zu kommen eine Chance geboten wird. Auch wenn jetzt nichts erreicht wurde, zumindest nichts Schriftliches, blieb doch der Tonfall positiv auf Seiten der USA, der EU-Aussenministerin und dem iranischen Aussenminister. Das ist neu! Bisher wurden umgehend Beschuldigungen in Richtung Teheran gefeuert wenn Verhandlungen abgebrochen wurden, das blieb jetzt aus. Und John Kerry verteidigte sogar die US-Politik vor Angriffen aus dem Kongress, Riad, Qatar, Abu Dhabi und Tel Aviv und meinte: "Wir sind nicht blind und ich denke nicht dass wir dumm sind. Ich denke wir haben ein ziemlich starkes Gefühl dafür, um zu ermessen, ob oder ob wir nicht im Interesse unseres Landes und der Welt handeln, und insbesondere unserer Alliierter, wie Israel und den Golfstaaten und anderen in der Region."

Fakt ist auf jeden Fall, dass Israel nach wie vor alles nur erdenklich mögliche unternehmen wird um grösstmöglichen Druck auf die USA auszuüben damit kein Deal zustande kommt. Der rechts-religiöse Wirtschafts- und Handelsminister Naftali Bennett kündigte bereits an, am Dienstag nach Washington zu fliegen um Kongressabgeordnete davon zu überzeugen, dass "Israels Sicherheit gefährdet ist" und er deswegen "persönlich mit dutzenden Kongressmitgliedern" sprechen werde.












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