Donnerstag, 9. Januar 2014

Israel`s Beschneidung europäischer Meinungsfreiheit

Es ist ein Angriff auf unser europäisches Demokratieverständnis, aber niemand traut sich das so zu formulieren. Die Rede ist von der Einstufung der Organisation Council for European Palestinian Relations (CEPR) als eine "illegale Vereinigung" durch das israelische Verteidigungsministerium unter der Führung des ex-Generalstabchefs Moshe "Bogie" Ya`alon. Wie die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete, bedeutet diese Einstufung für die Mitglieder der Organisation eine mögliche Verhaftung bei der Einreise nach Israel.
Das Problem dabei ist, dass davon nicht etwa der Ottonormalverbraucher und kleine Aktivist betroffen wäre, sondern aktive Politiker aus dem Europäischen und Schweizer Parlament. Nebenbei bemerkt, von dieser Einstufung durch das Verteidigungsministerium ist nicht nur CEPR betroffen, sondern auch noch andere, kleinere Organisationen bei denen mit Sicherheit mit voller Härte durchgegriffen wird.
Als dieser Haaretz Bericht insbesondere in den schweizer Medien für hohe Wellen sorgte, aber nicht etwa weil man sich darüber aufregte dass Israel versucht europäische Organisationen zu delegitimieren und gleichzeitig die Verhaftung von Regierungsmitgliedern im Raum steht nur aufgrund ihrer wie auch immer praktizierten Nähe zu dieser Organisation, sondern weil tatsächlich ohne jegliches kritisches Hinterfragen die israelische Darstellung übernommen wurde und dabei der Nationalrat Geri Müller ins Fadenkreuz geriet. Gibt man bei Google nur "Geri Müller" ein, kommen bereits auf der ersten Seite folgende Titel, die einem genau das suggerieren sollen was Israel vorwirft:

"Nähe zur Hamas" - Geri Müller darf nicht mehr nach Israel Reisen

"Sprachrohr der Hamas" - Geri Müller auf der Terrorliste der Israelis

Zwar hat die israelische Botschaft in der Schweiz Gestern eine Presseerklärung abgegeben, worin beteuert wird dass Herr Müller natürlich auch weiterhin nach Israel und Palästina einreisen darf, aber der Schaden ist bereits getan. Über die Gründe dieses "zurückruderns" kann nur spekuliert werden, denn es ist schon richtig was Chaim Levinson von der Haaretz Zeitung gesagt hat, dass es prinzipiell gilt wenn eine Organisation als "illegal" eingestuft wird und somit deren Mitglieder, Unterstützer oder auch nur Spender bei Ankunft in Israel entweder verhaftet oder deportiert werden können. Vermutlich wird es schon so sein, dass das israelische Aussenministerium um Schadensbegrenzung bemüht war und wahrscheinlich nicht unerhebliche Sorge hatte, dass dann der letzte Vorbehalt zur Verhaftung von israelischen Kriegsverbrechern bei Ankunft in Europa gefallen ist.

Aber wenden wir uns mal der Beschuldigung gegenüber des CEPR zu, dem zur Last gelegt wird das "Sprachrohr der Hamas" zu sein. Israel wirft der Organisation vor, nicht die "nötige Abgrenzung zum Terrorismus" gezogen zu haben. Nur was bedeutet eine "nötige Abgrenzung zum Terrorismus"? Studiert man die Website des Council for European Palestinian Relations, findet man nicht einen Hinweis dafür, dass die Organisation als "Sprachrohr der Hamas" oder als Lobbyistin für die Hamas tätig ist. Was man aber findet ist ein Aufruf an die europäischen Staaten, "durch grössere Anstrengung einen gerechten und anhaltenden Frieden im Israelisch-Palästinensischen Konflikt zu finden". Weiter heisst es dort:
"Das Fehlen jeglicher wirksamen Mässigung Israel`s um seinen Verpflichtungen gemäss dem Völkerrecht nachzukommen, bedeutet dass Israel`s Verletzung der Rechte der Palästinenser gestattet wurde um ungestraft weiter zu machen - während die militärische Überlegenheit gesichert wurde. Gleichzeitig verringert die Enteignung von noch mehr palästinensischem Land und jede neue Siedlung die Aussicht auf eine Zwei-Staaten Lösung in diesem Konflikt.
Die CEPR versucht einen Frieden basierend auf Gerechtigkeit zu erreichen und die Wiederherstellung von palästinensischem Recht gemäss dem Völkerrecht und internationalen Menschenrechten. CEPR organisiert Delegationen nach Palästina, so dass die Parlamentarier aus erster Hand die Situation erfahren, in welcher sich die Palästinenser befinden."

Das klingt nicht nach dem "Sprachrohr der Hamas" in Europa. Das klingt auch nicht nach Terrorismus oder dem immerwährenden Mantra der "Zerstörung von Israel". Aber nichts destrotrotz stellt diese Organisation aus der Sichtweise Israels doch eine Gefahr für den Staat dar. Denn die Reise nach Palästina öffnet den europäischen Politikern zwangsläufig die Augen wie die Situation vor Ort tatsächlich aussieht, auch ohne jegliche Durchführung von Stundenlangen Vorträgen bei köstlicher Bewirtung in klimatisierten Räumen irgendwo am malerischen Strand zwischen Tel Aviv und Herzliya.
Aus dieser Logik heraus macht dieser Schritt von Mosche Ya`alon also durchaus Sinn, und entspricht vollkommen dem Geiste der Regierung die ohnehin alles mögliche versucht, um die israelischen Organisationen, welche sich für Menschenrechte und gegen die Unterdrückung der Palästinenser einsetzen, zu verbieten oder sonstwie zu schickanieren. So wurde erst im Dezember ein anti-demokratisches Gesetz zur Abstimmung in der Knesset übergeben, welche sämtliche Nichtregierungsorganisationen (NGO`s) in Israel dazu verpflichten würde, eine "Strafsteuer" von 45% zu zahlen wenn sie sich in irgendeiner Form um die Belange von Israel`s Verstösse gegen das Völkerrecht oder Menschenrecht beteiligen. Kein Wunder sah sich Oppositionsführer Isaac Herzog genötigt zu erklären, dass "Israel immer weniger und weniger demokratisch wird".

Israel`s Absicht also, sämtliche Organisationen die sich mit dem Verstoss von Menschenrechten, Verstoss gegen das Völkerrecht oder selbst nur für eine Gleichstellung aller Bürger in Israel einsetzen, werden im In- und Ausland verfolgt und entweder als Terrororganisationen, oder dem Terror nahestehende Organisationen gebrandmarkt. Und momentan reicht es einfach aus wenn man "Hamas" schreit, und die meisten westlichen Medien verlieren sofort ihre Objektivität und übernehmen ohne die Story zu hinterfragen diese Anschuldigung auf.
Es wird dann über die Organisationen wie Council for European Palestinian Relations nicht unbedingt negativ berichtet, aber es fällt doch der eindeutig schale Beigeschmack auf der sich einem aufdrängt wenn man die Berichte liest. In keiner einzigen Zeitung und in keinem einzigen Artikel, nicht einem, wird von israelischen oder pro-Israel Organisationen berichtet, die im Grunde genau das gleiche tun wie CERP. Von AIPAC, Zionist Organisation of America, Christians United for Israel und anderen habe ich bereits berichtet. Aber wer kennt denn beispielsweise die European Friends of Israel, einer Lobbyistin in Brüssel? Besucht man deren Seite und informiert sich über die Ziele der Organisation, findet man nicht einen Hinweis darauf dass die Organisation sich für eine Lösung des Israelisch-Palästinensischen Konflikts bemüht. Ganz im Gegenteil, es geht einzig und allein um die Sicherstellung und Erweiterung von Europa`s Unterstützung für Israel. Soll man jetzt aber diese Organisation als "Sprachrohr der Siedler" brandmarken und deren polnischen Geschäftsführer Marek Siwiec verhaften lassen, weil er sich mit dem gesuchten Kriegsverbrecher und aktuellen Mitarbeiter des Stabes von Ministerpräsident Netanyahu, General Doron Almog, getroffen hat?

Aber wenden wir uns dem Mann zu der für diesen ganzen Wirbel verantwortlich ist: Verteidigungsminister Moshe "Bogie" Ya`a lon. Auch er hatte "Glück" dass er 2006 in Neuseeland nicht als Kriegsverbrecher verhaftet wurde, obwohl ein Gericht in Auckland einen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hatte als bekannt wurde, dass Ya`alon den Inselstaat besuchen würde.  Der Grund für diesen Haftbefehl war seine Rolle in der ohnehin un-demokratischen Taktik der "gezielten Tötung" von Salah Shehadeh, die aber nebst des "Zieles" eine gesamte unschuldige Familie von 7 Personen tötete, und weiteren 8 Personen das Leben kostete. Diese "gezielte Tötung" erfolgte durch einen Angriff aus der Luft durch eine amerikanische F-16 und dem Abwurf einer 1-Tonne Bombe (beide Tatsachen verstossen gegen geltendes US-Recht, welches den Empfängern von US-Waffensystemen verbietet diese Waffen für Offensiveinsätze zu nutzen) auf das Haus von Mohammed Mattar.  Weitere hochrangige Personen die von diversen europäischen Gerichten deswegen verhaftet werden könnten:  Dan Halutz (ex-Generalstabchef), Benjamin Ben-Elizer (ex-Verteidigungsminister), Doron Almog (arbeitet im Stab des Ministerpräsidenten), Abraham Dichter (ex-Shin Bet Direktor), Michael Herzog (ex-Stabchef im Verteidigungsministerium) und natürlich Moshe Ya`alon.



Doch damit hört die Geschichte um Verteidigungsminister Moshe Ya`alon noch längst nicht auf. Wie schon im letzten Bericht geschrieben, gehört es zum Lieblingsrepertoire von Ya`alon immer wieder die Hamas als Schreckgespenst zu benutzen, um seine Ziele besser erreichen zu können. In Wirklichkeit spielt es für ihn aber keine Rolle um welche politische Kraft es sich handelt.  Heute ist die Hamas, Gestern war es noch die PLO und in der Summe sind es für Ya`alon die Palästinenser im Allgemeinen mit denen er nicht klar kommt. Das zeigte er ganz klar als er im Juli 2002 gerade erst zum Generalstabchef ernannt wurde und bei einer Rabbiner Konferenz in Jerusalem sofort über die Palästinenser herzog:
"Die gegenwärtige palästinensische Führung (Yassir Arafat, PLO) ist nicht bereit Israels Existenzrecht als unabhängigen jüdischen Staat anzuerkennen. Die palästinensische Bedrohung enthält Krebs-ähnliche Attribute welche es einzudämmen gilt und bis zum bitteren Ende bekämpft werden muss."

Es spielte dabei auch gar keine Rolle dass er mit falschen Fakten argumentierte, denn Arafat hatte im Zuge des Oslo-Abkommens 9 Jahre zuvor sehr wohl das Existenzrecht Israel`s anerkannt.  Diese Sichtweise aber prägt den heutigen Verteidigungsminister Moshe Ya`alon noch bis heute und zeigt sich in verschiedensten Formen, zuletzt eben im Versuch der Beschneidung eines unseres grössten demokratischen Gutes; der Meinungsfreiheit. Denn nichts anderes ist es, wenn sich Menschen davor fürchten müssen bei einer Reise nach Israel nur aufgrund ihrer Zugehörigkeit, ob aktiv oder passiv, zu einer Organisation welche sich für die Rechte der Palästinenser einsetzt, verhaftet zu werden.
Es ist aber bezeichnend dass es offensichtlich sehr viele Menschen gibt denen die Tragweite dieser Handlung nicht vollkommen bewusst ist, wenn man sich die Kommentare zu den Artikeln (siehe hier und hier) durchliest.

Es muss aber noch angemerkt werden, dass dieses Weltbild die der heutige Verteidigungsminister Ya`alon mit sich trägt, leider kein Einzelfall ist. Ministerpräsident Binyamin Netanyahu teilt dieses Weltbild genauso. Im Jahr 2001 war Netanyahu zu Besuch bei einer Siedlerfamilie in Ofra, einer illegalen Siedlung in Palästina, als er dort über die Manipulation der US-Aussenpolitik in Bezug auf den Nahen Osten sprach und als das Gespräch auf die Palästinenser kam, sagte er:
"Der einzige Weg um mit den Palästinensern klar zu kommen ist sie zu schlagen, nicht einmal sondern wiederholt, sie so zu schlagen bis es stark weh tut, bis es unerträglich wird."
Daran hat sich bei Netanyahu bis heute nichts geändert. In einer aktuellen Sitzung seiner Likud Partei sagte er bezüglich der "Friedensverhandlungen":
"Der Grund warum wir bereit sind ein Abkommen zu erreichen ist nicht weil wir unsere Geschichte verleugnen, sondern weil es dort 2 Millionen Palästinenser gibt und die Frage ist was wir mit ihnen machen sollen. Das ist ein Problem dass diese Palästinenser dort sind, und ich habe nicht die Absicht sie wegzubringen. Es ist unpraktisch und unangemessen. Ich will keinen Bi-Nationalstaat und ich will sie auch nicht als Bürger noch als Staatsangehörige haben." Gleichzeitig machte Netanyahu aber klar, dass er nicht die Absicht hat Hebron und Beit El (illegale Siedlung in Palästina) dem palästinensischen Staat zu überlassen.




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