Donnerstag, 15. Mai 2014

Hoffnungsschimmer für Syrien

Was haben Karthago, Jerusalem, Milet, Konstantinopel oder auch Wien mit der syrischen Stadt Homs gemein? Sie alle wurden mit einer Taktik bekämpft die seit über 2000 Jahren angewendet wird: der Belagerung.

Homs, die Stadt die wie keine andere in Syrien das Symbol des Widerstandes gegen die Regierung von Bashir al-Assad repräsentiert hat, musste nach heftigsten Kämpfen und Belagerung den Widerstand aufgeben. Jeder der die Schrecken und Brutalität des Krieges schon mal erlebt hat, weiss wie wichtig Symbole sind. Symbole können den Kriegsverlauf entscheidend beeinflussen, indem die Moral der sich bekämpfenden Parteien entweder gebrochen, oder auf der anderen Seite eben gestärkt wird. Das ist auch in Homs nicht anders.

Für die syrische Armee, für die ersten Menschen die seit ihrer Flucht wieder zurückgekommen sind um das elende Ausmass des Krieges zu begutachten, und insbesondere für die grosse christliche Gemeinschaft von Homs war das Ende der Rebellion ein Grund zum Feiern.

Für all jene die sich für den Kampf gegen Bashir al-Assad eingesetzt haben, ist es eine weitere Niederlage und ein weiterer Verlust von strategischer Wichtigkeit.

Über diese Tatsache kann auch die offizielle Zusammenkunft zwischen US-Präsident Barack Obama und dem Anführer der Syrischen Nationalen Koalition (SNC) Ahmad al-Jarba letzte Woche nicht hinwegtäuschen. Auch nicht dass die SNC in den USA den Status als "Ausländische Mission" in den Vereinigten Staaten von Amerika erhalten hat.  Ahmad al-Jarba , den US-Aussenminister John Kerry "Präsident" nennt, gehört in die gleiche Kategorie von Anführer wie der Iraker Ahmad Chalabi den Washington nach der illegalen Invasion des Iraks als "Präsidenten" vorgeführt hat. Genau wie Chalabi vor ihm, ist auch al-Jarba eine zwielichtige Persönlichkeit mit krimineller Vergangenheit, welche in Syrien über keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung geniesst. Das Beispiel Ahmad Chalabi hat aber vor zehn Jahren bereits gezeigt, dass auf solche Sentimentalitäten in den Strategiepapieren der US-Planer nicht Rücksicht genommen wird.

Wie ich schon in einigen Berichten über Syrien erwähnt habe (siehe hier oder hier), steht die Mehrheit der syrischen Bevölkerung hinter Präsident Bashir al-Assad. Über die Motive dieser Unterstützung kann natürlich debattiert werden, ob es aus ehrlicher Überzeugung oder aus Mangel an Alternativen ist, es ändert aber nichts an der Tatsache dass es so ist. Auch die ansonsten äusserst Assad-kritische Zeitung The National aus Abu Dhabi musste erst jüngst feststellen, dass Assad auch bei einer freien und fairen Präsidentschaftswahl gewinnen würde.

Betrachtet man diese Entwicklung und öffentliche US-Unterstützung, ja sogar die Tatsache dass eine "kleine Menge" von moderneren Panzerabwehrraketen an die "moderaten Rebellen" geliefert worden ist, könnte man durchaus zur Erkenntnis gelangen dass es die USA auch weiterhin auf den Sturz von Assad abgesehen haben. Und das obwohl die Bevölkerung hinter ihm steht.
Das Bild hinter der öffentlichen Kulisse sieht meiner Meinung aber ganz anders aus. Wie bereits im Bericht vom 22. Januar 2014 (Hat Saudi Arabien in Syrien verloren?) angemerkt, bereitet sich in der Region eine andere Konfiguration darauf vor, das Licht der Welt zu erblicken. Und in dieser Konfiguration spielt auch Assad nach wie vor eine Rolle. Man darf in der heutigen Zeit, und insbesondere in einer Region wie dem Mittleren Osten, nicht auf ein einzelnes Land schauen um zu begreifen welche Konstellationen sich zusammenbrauen. In einem Land wie Syrien ohnehin nicht, wo diverse Länder, Organisationen, Religionen und Ideologien den Ist-Zustand prägen. 

Fassen wir nur nochmal kurz zusammen welche Kräfte, zumindest die Wichtigsten, in Syrien am Werk sind um das Bild etwas klarer zu machen:

1. Die Regierung Assad und die syrische Armee: erhält staatliche Unterstützung durch den Iran und Russland

2. Hezballah: die libanesische Organisation hat durch ihren Eingriff in das Kampfgeschehen insbesondere an der libanesisch-syrischen Grenze die Nachschubwege für die wahhabitischen Extremisten unterbrochen, und sorgte allein mit ihrer Präsenz für ein wiedererstarken der Moral bei den syrischen Truppen.

3: ISIS - Islamic State of Iraq and al-Sham: Al Qaida Ableger aus dem Irak, der über grossen Einfluss und Kontrolle in und von Gebieten im Osten Syriens verfügt. Die exzessive Brutalität mit der ISIS vorgeht, zwang schliesslich den Al Qaida Chef Ajman al-Zawahiri dazu, seine einstigen Günstlinge aufzufordern sich zu mässigen. Davon will ISIS aber nichts wissen. Mit etwa 10`000 Hardcore Jihadisten, die sich nicht nur aus dem Irak oder Syrien rekrutieren, sondern aus der ganzen Welt angereist sind und dem wahhabitischen Extremismus huldigen, gehört ISIS zu den stärksten Fraktionen im syrischen Krieg. Direkte staatliche Unterstützer sind nicht bekannt, aber grosse Geldsummen kommen aus den arabischen Petromonarchien.

4. Jabhat al-Nusra: ebenfalls ein Al Qaida Ableger aus dem Irak, der sich mehrheitlich aus Syrern und Jordaniern rekrutiert, aber ebenfalls internationale Kämpfer aufnimmt die dem wahhabitischen Extremismus verfallen sind. Auch sie verfügen über eine sehr gut ausgestattete "Firepower" und Finanzkraft, und stellen mit ihren etwa 6000 Kämpfern eine einheitliche und aus militärischer Sicht organisierte und disziplinierte Kampforganisation dar. Auch hier sind keine direkte staatliche Unterstützer bekannt, aber die Finanzierung stammt aus den arabischen Petromonarchien (hauptsächlich Kuwait und Qatar).

5. Ahrar al-Sham: ein Zusammenschluss von mehreren syrischen "Rebellen"-Gruppierungen, die sich zum Salafismus bekennen aber den extremistischen Wahhabismus ablehnen. Mit etwa 15`000 Mann insbesondere im Norden Syriens aktiv, verfügt aber auch über Einfluss bis nach Aleppo und Damaskus. Wird von Kuwait und vermutlich vom türkischen Geheimdienst unterstützt.

6. Syrian National Council (SNC): der Liebling des Westens mit Hauptsitz in Istanbul und nun auch einer Vertretung in den Vereinigten Staaten. Diese relativ lose Struktur beinhaltet verschiedene Einflüsse die schon vor Ausbruch des Krieges in Syrien zur Opposition des Staates gehörte. Zu dessen staatlichen Sponsoren gehörten paradoxerweise Saudi Arabien wie auch Qatar, aber auch Frankreich, Grossbritannien, Türkei und die USA. Während Saudi Arabien die wahhabitischen Elemente innerhalb des SNC unterstützte und darauf bedacht war, dass die gelieferten Waffen auch nur an die gewünschte Fraktion verteilt wird, unterstützte Qatar die Muslimbrüder innerhalb des SNC. Angesichts dieser verschiedenen Interessengruppen die im SNC vorherrschen, kann es nicht überraschen wenn der einstige Hoffnungsträger des Westens militärisch wie auch organisatorisch an den Rand gedrückt wurde. Frühere SNC Führer wie Mustafa al-Sabbagh oder Mohammad Bassam Imadi (beide aus Protest zurückgetreten) verdeutlichten diesen Zustand ziemlich klar und deutlich: "der SNC besteht nur aus einigen Expats die ausserhalb von Syrien leben und den Bezug zur Realität in Syrien verloren haben". Daran hat sich mit Ahmad al-Jarba an der Spitze auch nichts geändert.

Während die syrische Armee einen wichtigen Sieg mit hoher symbolischer Bedeutung in Homs erzielt hat, haben sich in den letzten Wochen und Monaten in den Ländern rings um Syrien einige Dinge verändert, die meines Erachtens nach einen Hoffnungschimmer für die so vom Leid geplagten Menschen in Syrien darstellen. Die mit Abstand wichtigste Nachricht kam aus Saudi Arabien, einem der grössten Unterstützer der "Rebellen" in Syrien. Wie bereits weiter oben erwähnt, fing auf Druck der USA ein gewisses Umdenken in Riad bezüglich der saudischen Strategie statt. Prinz Bandar bin Sultan, der in Syrien fast eine persönliche Vendetta gegen Iran führte und dabei buchstäblich über Leichen ging, wurde von seinem Amt enthoben. Der Besuch von Präsident Obama bei König Abdullah konnte die Gemüter über den abgesagten US-Angriff auf Syrien und die sich anbahnende Annäherung zwischen den USA und Iran nicht beruhigen. Im Gegenteil, die Amerikaner machten klar, dass sie an diesem Kurs festhalten werden und es nichts gibt dass Riad dagegen tun könnte. Wie ich in dem Bericht "Hat Saudi Arabien in Syrien verloren?" geschrieben habe, steht das wahhabitische Königreich in der Region plötzlich ziemlich isoliert dar. Aus diesem Grund ist man offensichtlich zur Erkenntnis gekommen, dass der bisherige saudische Kurs nicht mehr länger zu halten ist und ein anderer Weg eingeschlagen werden muss. Mit der offiziellen Einladung des saudischen Aussenministers Prinz Saud al-Faisal, der als berüchtigter anti-Iran Falke bekannt ist, an seinen iranischen Kollegen Mohammad Javad Zarif, trägt Saudi Arabien der Tranformation der Region Rechnung. "Wir sind bereit ihn (den iranischen Aussenminister) zu empfangen. Wir werden mit ihnen reden. Unsere Hoffnung ist es, dass Iran Teil der Anstrengung wird die Region so sicher wie möglich zu machen", hiess es aus Riad.
Dieser historischen Einladung sind mit Sicherheit einige geheimen Treffen auf tieferer Ebene vorangegangen und die Standpunkte beider Seiten klargemacht, aber dass die Einladung von den Saudis erfolgte zeigte wer sich in der Bringschuld befindet. Saudi Arabien hat riesige interne Probleme, und es kann sich nicht leisten den Stellvertreterkrieg gegen den Iran noch weitere Jahre in verschiedenen Ländern zu führen.

Im Libanon und im Irak stehen Präsidentschaftswahlen an, und in beiden Ländern sieht es danach aus dass nicht die Protegès von Saudi Arabien gewinnen werden. Im Irak stehen die Zeichen für eine weitere Amtszeit für Präsident Nouri al-Maliki, im Libanon sitzt Hezballah relativ fest im Sattel der Regierung und kann nicht verdrängt werden wie das von Saudi Arabien geplant war.
Die Verhandlungen zwischen dem Westen und dem Iran über das Atomprogramm schreiten allen Unkenrufen aus Tel Aviv und deren Handlanger im US-Kongress zum Trotz voran. In Syrien sind die saudischen Günstlinge der Armee Assad`s unterlegen, und mit ISIS entsteht ein Monster das nicht weit von der saudischen Grenze im Irak bereits ihr Einflussgebiet hat. Dieses Monster könnte auch für Saudi Arabien gefährlich werden, betrachtet man das Königshaus Al-Saud in den wahhabitischen Jihadistengruppierungen allgemein als verkommen und korrupt an.


Sollte sich der Bericht der israelischen DEBKAfile bewahrheiten, gab es auf Zypern ein erneutes Treffen zwischen amerikanischen Vertretern von CIA und Aussenministerium auf der einen Seite, und Hezballah auf der anderen Seite. Das Thema war natürlich Syrien und der Libanon und das Eingeständnis, dass Hezballah in beiden Ländern eine mehr oder weniger dominierende Rolle eingenommen hat. Mit den Atomverhandlungen will man in Washington offensichtlich versuchen, der Realität Rechnung zu tragen und möglichst eine günstige Ausgangsposition in den Verhandlungsrunden für die Amerikaner zu schaffen. Je mehr Iran`s Einflussgebiet anerkannt wird, desto grössere Konzessionen können sich aushandeln lassen, so oder so ähnlich wird der strategische Gedanke dahinter gewesen sein.

Sollte sich das alles bewahrheiten, bedeutet das, dass die Menschen in Syrien hoffentlich nicht mehr länger zum Spielball von externen Mächten gehören und hoffentlich langsam wieder zur Normalität zurückfinden können.

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