Samstag, 31. Mai 2014

Shimon Peres und der Mythos vom Frieden

Shimon Peres, das 91-jährige (scheidende) Staatsoberhaupt von Israel, ist unter den Diplomaten dieser Welt schon fast eine lebende Legende und ein willkommener Gast in den verschiedenen Kapitalen. Und das liegt nicht nur an seinem hohen Alter. Seine Aussagen von Demokratie, Frieden mit den Palästinensern, seine Kritik an dem israelischen Siedlungsbau auf palästinensischem Grund und Boden oder dem Unwillen der israelischen Regierung zum Frieden, solche Worte sind wie Balsam in den Ohren der westlichen Regierungschefs, Aussenminister und Staatspräsidenten die ansonsten mit den Tiraden des Binyamin Netanyahu vorlieb nehmen müssen.
Das Amt des Staatspräsidenten in Israel ist ähnlich wie in Deutschland aufgebaut; der Präsident verfügt über keinerlei Machtbefugnisse in einer Regierung, darf aber in der Welt ein gutes Bild seines Landes zeichnen und muss manchmal die harten Entscheidungen seiner Regierung mit schönen Worten rechtfertigen. Etwas abwertend und polemisch ausgedrückt, ist der Staatspräsident so etwas wie der Feuerwehrmann seiner Regierung. Shimon Peres kann aber auch anders. Es ist kein Geheimnis dass in seiner langen Zeit als Politiker auf allen wichtigen Ministerposten in Israel, ihm der heutige Ministerpräsident Netanyahu als damaliger Oppositionspolitiker ein Dorn im Auge war. Peres liess es sich dann Anfang Monat nicht nehmen Netanyahu persönlich dafür verantwortlich zu halten, dass er bereits vor drei Jahren einen angeblich fast ausgehandelten Friedensvertrag mit den Palästinensern in den Jordan beförderte, nachdem auch der letzte Versuch eines "Friedensprozesses" von Netanyahu`s Koalition sabotiert wurde.

Bei Auftritten vor einem Weltpublikum ist Shimon Peres absolut in seinem Element, wie zuletzt auch beim Besuch von Papst Franziskus  im "Heiligen Land". Schauen wir doch mal kurz in die Rede von Peres rein, die er NACH dem historischen und höchst symbolträchtigen (und ungeplanten) Stopp von Papst Franziskus bei der illegalen Separationsmauer bei Bethlehem abgehalten hat:





"Eure Heiligkeit, Sie sind angekommen im Staat Israel wo heute Mitglieder aus verschiedenen Religionen und Nationalitäten zusammen leben, Juden, Christen, Muslime, Drusen und Tscherkessen. 

Israel ist ein jüdischer und demokratischer Staat wo die Koexistenz in Frieden implementiert wurde, und ein Staat der sich um Frieden mit all seinen Nachbarn bemüht. Selbst wenn Frieden nach Aufopferung verlangt, die Opfer für Frieden sind der Gefahr vor einem Krieg vorzuziehen. Unsere Hand ist in Frieden ausgestreckt und wird auch in Frieden ausgestreckt bleiben, und wir sollen den richtigen Weg aussuchen um ihn (den Frieden) zu erreichen. 

Israel ist ein Staat in welchem es keine religiöse Nötigung oder anti-religiöse Ausblicke gibt, und wo das Recht zur freien Religionsausübung respektiert wird. Wir sind für deren Implementation verantwortlich, und wir dürfen es niemandem erlauben diese Verpflichtung zu verletzen. 

Wir sind stolz auf die pluralistische Natur unserer Gesellschaft, wir respektieren alle unsere Bürger, unabhängig von Religion und Nationalität."

Das sind genau die Worte die ein Staatspräsident sagen muss und die auch mit Wohlwollen in Washington, London, Paris und Berlin aufgenommen werden. Nur wollen sie einfach nicht so Recht zu den Umständen passen. Noch kurz bevor Shimon Peres diese schöne Rede hielt, hielt sein Gast aus dem Vatikan, immerhin Pontifex von über 1.2 Milliarden Menschen, vor der Separationsmauer bei Bethlehem an und betete. Beim offiziellen Empfang bei Mahmoud Abbas erklärte Papst Franziskus, dass "die Zeit gekommen ist um dieser Situation ein Ende zu bereiten, welche zunehmend unakzeptabel geworden ist". Gemeint war damit die Besatzung und brutale Unterdrückung durch Israel. Für lange Gesichter in der Regierung von Netanyahu dürfte auch die halb-offizielle Anerkennung des Vatikans eines Staates Palästina gesorgt haben, als Papst Franziskus seinen Gastgeber Abbas als "Präsidenten des Staates von Palästina" bezeichnete.

Für die meisten Menschen sind solche Reden des Shimon Peres der Beweis dafür, dass Berichte über Israel wie man sie auf diesem und vielen anderen Blogs (und in geringerer Zahl in vereinzelten Medien) vorfindet, stark übertrieben sind. Wie können schon Berichte über systematische Unterdrückung, Ermordung, Vertreibung, Zerstörung, Kolonisierung mit dem Bild vereinbart werden, welches von Shimon Peres bei unzähligen internationalen Auftritten sorgfältig gezeichnet wird?

Die Antwort darauf ist simpel und komplex zugleich. Shimon Peres ist nicht nur Teil dieses Systems welches darauf bedacht ist, die eigenen Verbrechen zu vertuschen und nach aussen hin ein blumiges Bild zu zeichnen, sondern er ist auch ein Mann der das System entscheidend geprägt hat.

Wer ist Shimon Peres?
Es soll hier keine Biographie des Noch-Staatspräsidenten von Israel sein, dafür gibt es genügend andere Bücher. Es sollen aber dennoch kurz einige Eckpunkte gezeigt werden, in welche Shimon Peres verwickelt war und die in der jungen Geschichte des Staates Israel absolut von Bedeutung waren und den Staat nachhaltig geprägt haben.

Shimon Peres, beziehungsweise Shimon Persky, kam 1934 als 11-jähriger Junge mit seinen Eltern aus Osteuropa nach Palästina. Kaum angekommen, wurden Shimon, sein Bruder und seine Eltern durch die Jewish Agency nach Ben Shemen geschickt. Ben Shemen war zu dem Zeitpunkt eines der ersten "Jugenddörfer", wo insbesondere Kinder und Jugendliche entsandt wurden die vor den Pogromen in Osteuropa geflohen sind. Dort schloss sich der junge Shimon schnell der Jugendorganisation von einer der jüdischen Hauptorganisationen an. Er entwickelte sich schnell zum Instruktor der sozialistischen Mapai Organisation, und erregte die Aufmerksamkeit des Anführers der Mapai, David Ben-Gurion. Ben-Gurion war nicht nur von Shimon`s Fähigkeit als Organisator beeindruckt, die beiden verband auch die "alte Heimat" Polen. Ben-Gurion selbst kam 28 Jahre vor Shimon Persky als David Grün nach Palästina.

Der ältere David Ben-Gurion nahm den jungen Shimon Persky unter seine Fittiche und gab ihm den Job als persönlicher Sekretär. In dieser Funktion sollte der nun ins hebräische umgetaufte Shimon Peres (diese Namensänderungen erfolgten nach Wahl) die Beschaffung von Waffen und anderem Kriegsgerät nach Palästina überwachen. Obwohl die Waffenlieferungen an die zionistischen Milizen wie Haganah, Irgun oder Stern-Gang gemäss den britischen Gesetzen im Mandatsgebiet von Palästina verboten waren, fanden sich immer Mittel und Wege diese Verbote zu umgehen. David Ben-Gurion fing bereits 1945 damit an, die zionistische Führung und die Haganah (der militärische Flügel der Jewish Agency in Palästina) für einen Krieg gegen die Araber vorzubereiten. Am 01. Juli 1945 traf sich Ben-Gurion im Haus von Rudolf S. Sonneborn in New York mit 17 anderen Juden zu einem Geheimtreffen. Was diese "Geheimgesellschaft" verband war nicht nur ihr Glauben, sondern auch die Tatsache dass sie allesamt mindestens Millionäre waren und alles für den Zionismus tun würden. David Ben-Gurion verlangte Millionen von US-Dollar für Waffenkäufe, welche an diesem ersten Julitag im Sommer 1945 genehmigt wurden. Die erste Lieferung verliess New York im Januar 1946 in Richtung Palästina, nur ein Jahr später waren es bereits 950 Lieferungen.

Shimon Peres oblag die Verantwortung für die Koordination dieser Waffenlieferungen, während Teddy Kollek (später langjähriger Bürgermeister von Jerusalem) das "Tagesgeschäft" von New York aus leitete. Als dann gegen Ende 1947 die Terrorkampagne gegen die palästinensische Bevölkerung und die Vertreibungen begannen, weigerte sich Peres an Kampfhandlungen teilzunehmen und liess sich von Levi Eshkol, dem späteren Ministerpräsidenten Israels, für verschiedene Arbeiten im Haganah Hauptquartier im Zivilbereich einspannen. Dass sich Shimon Peres weigerte an Kampfhandlungen teilzunehmen, wurde ihm von der stark militarisierten Elite nie wirklich verziehen. 1949 wurde er nach New York versetzt um dort für das Verteidigungsministerium die notwendigen Netzwerke aufzubauen. Nach seiner Rückkehr aus New York 1952 wurde Peres trotz mangelnden militärischen Erfahrungen von David Ben-Gurion, dem ersten Ministerpräsidenten des Staates Israel, zum Vize-Direktor des Verteidigungsministeriums befördert. Ein Jahr später war Peres bereits Generaldirektor.

Der Generaldirektor des Verteidigungsministeriums verstand es wie kein Zweiter, seine mangelnde Erfahrung mit Eifer für Projekte auszugleichen, die von David Ben-Gurion zur Nationalen Sicherheit erhoben wurden. Darunter war auch das Atomwaffenprojekt.
Schon früh interessierte sich David Ben-Gurion für diese "Wunderwaffe", erst Recht als er die verheerenden Folgen des Atombombenabwurfs über Hiroshima und Nagasaki verfolgte. Ab diesem Zeitpunkt war für Ben-Gurion klar, dass auch Israel über solche Waffen verfügen muss. Er lud die Spitzenwissenschaftler des Manhattan Project nach Tel Aviv ein, wo Robert Oppenheimer und Edwart Teller 1952 die ersten Gespräche mit David Ben-Gurion führten. Diese Gespräche ebneten den Weg für Israel, um an US-Präsident Dwight D. Eisenhower`s "Atoms for Peace"-Programm teilzunehmen. Im Juli 1955 wurde der Vertrag zwischen den USA und Israel unterzeichnet, wo sich Washington verpflichtete einen kleinen 5000 Kilowatt Reaktor für Forschungszwecke zu liefern. Doch die israelischen Wissenschaftler waren mit diesem sogenannten "Swimmingpoolreaktor" nicht zufrieden, da sie auf die Produktion von waffenfähigem Plutonium aus waren. Weitere Anfragen zur Ausweitung des Programms wurden von Washington abgelehnt.

Hier kam Shimon Peres wieder zum Zug. Er überzeugte 1955 den eben erst aus seiner zweijährigen "Auszeit" zurückgekommenen David Ben-Gurion, dass Israel mit Frankreich Geheimgespräche führen soll weil sich dort Elemente im Innenministerium befinden würden, die dem jüdischen Volk und insbesondere Israel mehr als freundlich gesinnt sind. Und tatsächlich, im April 1955 wurde Shimon Peres nach Paris entsandt um mit den Franzosen eine Übereinkunft zur Lieferung von Waffen und schwerem Kriegsgerät zu erreichen. Ausser gute Gespräche und gute Kontakte in die französische Regierung erreichte Peres zunächst nichts weiter. Auch die zweite Reise im Mai 1955 nach Paris mit einer konkreten Wunschliste an Waffen wurde nicht mit Erfolg gekrönt.
Erst die Entwicklung in Algerien, wo mit der Nationalen Befreiungsfront (FLN = Front de Liberation Nationale) ein Gegner für die Kolonialmacht Frankreich entstand, sorgte dafür dass sich plötzlich gemeinsame Interessen für Frankreich und Israel entwickelten. Denn Paris vermutete hinter dem vermeintlich plötzlichen Aufstand gegen die Kolonialmacht eine Zusammenarbeit zwischen der algerischen FLN und dem neuen starken Mann in Ägypten, Gamal Abdel Nasser. Der charismatische Anführer der "Freien Offiziere" verlangte eine grundlegende Reformation der arabischen Welt, wo sich jedes Land der Fesseln der Kolonisierung entledigen sollte. Für Paris war damit klar, dass Gamal Abdel Nasser somit eine unmittelbare Bedrohung für Frankreich darstellte.
Diese Sorgen teilte Israel nicht. Aber die Nachricht das die Tschechoslowakei einen grossen Waffendeal mit Ägypten verhandelte, bereitete den Generälen und der Regierung von David Ben-Gurion umso grössere Angst. Angesichts der aus israelischer Sicht Verschlechterung der Sicherheitslage an der Grenze zu Ägypten, welche sich zu diesem Zeitpunkt am Gaza-Streifen befand, bedeutete eine massive Aufstockung der ägyptischen Streitkräfte unter der Führung Nasser`s eine imminente, wenngleich auch nur eine angenommene Bedrohung.
Wie es die Ironie des Schicksals wollte, stellte ausgerechnet der ägyptische Präsident den gemeinsamen Nenner für Frankreich und Israel dar. Paris wollte wissen wer hinter dem Aufstand in Algerien steckte, und solche Informationen konnte Israel durch sein Netzwerk in den Maghreb-Staaten liefern. Tel Aviv hingegen wollte High Tech Waffensysteme haben, die es von den USA oder Grossbritannien nicht erhielt. Also reiste Shimon Peres erneut im September 1955 nach Paris, und traf sich dort mit einem engen Vertrauten von Innenminister Maurice Bourgès-Maunoury, dessen Ministerium für Algerien verantwortlich war. Dieser enge Vertraute war Abel Thomas, der Bürochef des Innenministers. Und noch etwas verband diese Männer, etwas was nicht so greifbar war wie beispielsweise ein gemeinsamer Feind oder gemeinsame Interessen. Obwohl Abel Thomas oder auch der Innenminister selbst keine Juden waren, erlebten sie selbst den Horror des Nazi-Regimes. Der Bruder von Abel Thomas kam in einem Nazi-Konzentrationslager ums Leben, er selbst kämpfte an der Seite von General Charles de Gaulle und den Freien Französischen Streitkräften gegen Hitler. Das war das wirkliche Band welches Abel Thomas, Maurice Bourgès-Maunoury und Shimon Peres verband, obwohl Peres nie an irgendwelchen Kampfhandlungen teilgenommen hatte.

Die Männer vereinbarten das ihre Treffen und Abmachungen geheim bleiben sollten. Weder das französische Aussenministerium noch das israelische wussten von diesen Treffen. Es waren lediglich David Ben-Gurion, Stabchef der israelischen Streitkräfte Moshe Dayan und natürlich Shimon Peres auf Israels Seite involviert.
Als in Frankreich die Regierung von Ministerpräsident Edgar Faure aufgrund des enormen Drucks der französischen Siedler in Algerien im November 1955 auseinanderbrach, war Shimon Peres wieder in Paris. Er blieb bis zu den Neuwahlen um die entscheidenden Kontakte zu zementieren. Er setzte seine ganze Hoffnung auf Guy Mollet, der wie Abel Thomas ein ehemaliger Kämpfer der Freien Französischen Streitkräfte war, und sicherte sich ein Versprechen von Mollet mit neuesten Kampfflugzeugen und Panzer versorgt zu werden, sollte Mollet die Wahl gewinnen.
Peres`Taktieren sollte belohnt werden, als Guy Mollet tatsächlich die Wahl zum neuen Ministerpräsidenten für sich entscheiden konnte. Verteidigungsminister wurde Maurice Bourgès-Maunoury, der sich umgehend für eine Lieferung von französischen Mystère Kampfjets für Israel aussprach. Doch das Aussenministerium nahm aus Angst vor dem von den USA verhängten Waffenembargo für den Nahen Osten eine andere Haltung ein und weigerte sich Israel mit solchem Kriegsgerät auszustatten. Von dieser Haltung liess sich das Verteidigungsministerium jedoch nicht beeindrucken und entschied, in diesem besonderen Fall eine "unabhängige Politik" mit Rückendeckung des Ministerpräsidenten zu verfolgen.

Der 23. Juli 1956 war dann der grosse Tag des Shimon Peres. Wieder traf er sich mit einer ganzen Delegation von israelischen und französischen Generälen in Paris um über potentielle Rüstungsgeschäfte zu verhandeln. Peres präsentierte eine Wunschliste die eine Maximalforderung darstellte und eher ein Ausgangspunkt für Verhandlungen sein sollte:
200 Panzer, 72 Mystère Kampfjets, 10`000 Panzerabwehrraketen und 40`000 Mörsergranaten.
Zur Überraschung aller sagte Colonel Louis Mangin, der Bürochef des Verteidigungsministers Bourgès-Maunoury war, dass man den Vertrag doch so unter Dach und Fach bringen sollte. Die israelische Delegation war verblüfft, aber Shimon Peres erkannte umgehend diese einmalige Chance. Obwohl er gar keine Befugnis hatte irgendwelche Rüstungsgeschäfte zu unterzeichnen und die Regierung in Tel Aviv davon keine Kenntnis hatte, erklärte er sich vor einem unruhigen Moshe Dayan bereit, seine Unterschrift unter den Vertrag zu setzen. "Ich wollte mir diese Chance nicht entgehen lassen", erklärte Peres Jahre später.

Verschwörung zum Sinai Feldzug gegen Ägypten
Nur drei Tage nach dem Sensationsdeal von Paris führte eine Nachricht aus Kairo dazu, dass der Westen, aber insbesondere Frankreich und Grossbritannien in Schockstarre verfielen. Gamal Abdel Nasser verkündete am 26. Juli die Verstaatlichung des Suez-Kanals, nachdem sich die USA und Grossbritannien weigerten den Assuan-Staudamm wie vereinbart zu finanzieren. Der Suez-Kanal "gehörte" seit der absichtlich herbeigeführten Verschuldung der ägyptischen Monarchie 1875 der britischen Krone, später beteiligte sich auch die französische Regierung an den Kosten und erlang so eine Teilhaberschaft an der Universal Suez Ship Canal Company. Mit der Verstaatlichung des Kanals wollte Nasser nicht nur den anderen arabischen Ländern beweisen dass man sich von der Kolonisierung des eigenen Landes befreien konnte, sondern er versuchte die Transitgebühren die von nun an für die Durchquerung des Suez-Kanals zu bezahlen waren, für den Bau des Assuan-Staudamms zu benutzen. Mit diesem Schritt allerdings bekräftigte Nasser die schlimmsten Befürchtungen in London und Paris, die den ägyptischen Präsidenten bereits mit Hitler verglichen.

Bereits am 27. Juli, einen Tag nach der Verstaatlichung des Kanals, lud der französische Verteidigungsminister Bourgès-Maunoury Shimon Peres zu einem Treffen im Generalstab der Armee ein. Unverblümt fragte er Peres, wie lange Israel brauchen würde um die Sinai-Halbinsel zu überrennen, und ob er (also Israel) daran interessiert ist den Sinai zu erobern. Peres bejahte die letzte Frage, und gab an dass "Israels Truppen zwei Wochen brauchen würden", ohne vorher überhaupt irgendwelche Pläne mit dem israelischen Generalstab abgesprochen zu haben.

Frankreich wollte Krieg, aber es fehlten noch die Alliierten. Moshe Dayan lag Ben-Gurion schon einige Zeit in den Ohren und versuchte ihn von einem Erstschlag gegen Ägypten zu überzeugen. Er liess auch die französischen Generäle wissen dass er am liebsten losschlagen würde. Also wandte sich Paris logischerweise an London, immerhin teilten sich die zwei Länder die Konzession für den Suez-Kanal, und schlug einen gemeinsamen Angriff auf Ägypten vor. Die Briten zeigten sich grundsätzlich bereit für solch einen Angriff, wollten aber nicht als Aggressor dastehen. Diese Rolle sollte Israel übernehmen. Genau davor fürchtete sich aber David Ben-Gurion, umso mehr als Israel sich gerade heftige Scharmützel mit Jordanien lieferte und Grossbritannien signalisierte, im Rahmen des Verteidigungspakts mit Jordanien zu Hilfe zu eilen um die israelischen Angriffe auf jordanische Positionen zu stoppen.
Es war ein paradoxes Dilemma für Ben-Gurion: einerseits wollte auch er diesen Krieg gegen Nasser weil er sich vor den Konsequenzen der ägyptischen Aufrüstung fürchtete, und dafür brauchte er aber Frankreich UND Grossbritannien. Andererseits aber drohte ihm der gleiche potentielle Alliierte für einen Krieg gegen Ägypten, mit einem Krieg wegen Jordanien.

Die französische Regierung versicherte Ben-Gurion aber, dass man die Briten schon dazu bringen würde nichts gegen Israel zu unternehmen, wenn sich Israel dafür im Gegenzug für diesen Krieg gegen Gamal Abdel Nasser einspannen liesse. Noch nicht endgültig überzeugt, stimmte Ben-Gurion einem geheimen Gipfeltreffen mit britischen, französischen und israelischen Vertretern im französischen Sèvres am 21. Oktober 1956 zu. Auf israelischer Seite reisten nur David Ben-Gurion, Moshe Dayan und Shimon Peres nach Sèvres.
Die Israelis präsentierten vor den anderen Teilnehmern ihre Bedingungen für einen Einsatz israelischer Truppen:
1. Israel darf nach eigenem Ermessen den Suez-Kanal benutzen
2. Israel darf die Meerenge von Tiran frei benutzen
3. Israel erhält die Kontrolle über den Landkorridor entlang am Roten Meer vom israelischen Eilat bis nach Sharm el-Sheikh
Das war nur der Teil der für alle Ohren bestimmt war. Als sich am Abend die britische Delegation in ihre Hotelzimmer zurückzog, diskutierten Shimon Peres und die Franzosen noch weiter. Es gab noch eine Bedingung, diese betraf aber ausschliesslich Frankreich und Israel. Israel wollte ein Atomprogramm, und Frankreich sollte die notwendigen Bausteine dafür liefern. Verteidigungsminister Bourgès-Maunoury und Aussenminister Christian Pineau segneten auch diese Forderung ab.

Am 24. Oktober wurde der Geheimvertrag von Sèvres von Grossbritannien, Frankreich und Israel unterzeichnet. Der Plan sah vor, dass Israel die Sinai-Halbinsel überrennt und bis ans Ostufer des Suez-Kanals vorrückt. Grossbritannien und Frankreich würden Israel als Aggressor ein Ultimatum zum Abzug vom Suez-Kanal stellen, genauso wie sie es von den ägyptischen Truppen auf der Westseite des Suez verlangen würden um eine "neutrale Zone" schaffen zu können. Die Planer gingen davon aus, dass sich Nasser diesem Ultimatum nicht beugen würde und somit der Grund für das Eingreifen der britischen und französischen Luftwaffe sowie Fallschirmjäger gegeben wäre. Am Ende würden alle Parteien das erhalten was sie haben wollten, zum Preis von einer internationalen Verurteilung Israels (die ohnehin ohne Konsequenzen bleiben würde). Man rechnete zwar mit einer scharfen Reaktion aus Moskau, aber da der Plan der Verschwörer ihrer Meinung nach auch Washington`s Interessen entsprach, würde die eine Supermacht die andere in Schach halten und der Fall wäre erledigt gewesen. Man hielt es auch nicht für nötig die USA in diese Pläne miteinzuweihen, da sich zur selben Zeit ganz andere, wichtigere Ereignisse (z.Bsp. der Aufstand in Ungarn gegen das kommunistische Regime in Budapest) zutrugen die Washington in Atem hielten.
Die Mobilisierung der israelischen Streitkräfte wurden in den USA zwar registriert, jedoch waren die Analysten der verschiedenen Geheimdienste davon überzeugt, dass es sich dabei um eine Reaktion auf die Krise mit Jordanien handelte und nicht um die Vorbereitung auf einen Angriff auf Ägypten.

Nur 5 Tage nach der Unterzeichnung des Vertrags von Sèvres rollten israelische Panzer über die Grenze in den Sinai hinein, während gleichzeitig ein Battalion von israelischen Fallschirmjägern in der Nähe des strategisch wichtigen Mitla-Passes abgesetzt wurde um diesen zu erobern. Wer den Mitla Pass in den Händen hielt, hatte auch die Ebene auf der anderen Seite bis zum Suez-Kanal im Griff. Bereits nach einer Woche standen israelische Einheiten auf der Ostseite des Suez-Kanals, mit dabei auch ein gewisser Ariel Sharon. Für Paris und London lief also alles nach Plan; sie erliessen wie vereinbart das Ultimatum an die israelischen und ägyptischen Streitkräfte um den Suez-Kanal zu räumen. Und ebenso verlief auch die Reaktion der Ägypter nach Plan.

Während in Washington und Moskau die Drähte heiss liefen wegen dieses unnötigen Krieges im Mittleren Osten und es eine reale Gefahr für einen Nuklearschlag gab, hielt am 6. November der Generalstabchef der israelischen Streitkräfte, Moshe Dayan, eine von David Ben-Gurion vorbereitete Siegesrede in Sharm el-Sheikh. "Yotvat, auch als Tiran bekannt, wird wieder Teil des Dritten Königreichs von Israel sein", hiess es darin. David Ben-Gurion hatte in irgendeinem Buch gelesen, dass auch dieser Teil der Sinai Halbinsel irgendwann einmal zum Königreich Israel gehört haben soll, obwohl es für diese Behauptung niemals irgendwelche Beweise gab und selbst innerhalb der jüdischen Quellen als fragwürdig behandelt wird.


Auch Ben-Gurion liess es sich nicht nehmen, am nächsten Tag im israelischen Parlament, der Knesset, eine Rede zu diesem Sinai-Feldzug zu halten. Diese Rede war, wie viele andere auch, nur darauf bedacht die israelische Aggression rechtzufertigen und gleichzeitig die Absicht bekannt zu geben, die eroberten Gebiete auch zu behalten. Wie heuchlerisch (auch die Bezeichnung "verlogen" wäre nicht übertrieben) diese Rede angesichts der Fakten war, zeigte insbesondere dieser Teil der Rede:
"Es gibt kein Volk auf der Welt das so tief besorgt über die Prinzipien von Frieden und Gerechtigkeit ist, welche in der Charta der Vereinten Nationen enthalten sind, wie das jüdische Volk. Nicht nur weil diese Prinzipien Teil unseres antiken spirituellen Erbes sind und durch uns in die zivilisierte Welt gebracht wurden, sondern weil die gesamte Zukunft unseres Volkes grösstenteils von dem Gesetz des Friedens und Gerechtigkeit auf dieser Welt abhängt."

Nur Stunden nach dieser Rede in der Knesset erhielt David Ben-Gurion eine Drohung aus Moskau, welche vom sowjetischen Premier Nikolai Alexandrowitsch Bulganin unterzeichnet wurde: "Israel spielt unverantwortlich und kriminell mit dem Schicksal des Friedens und deren Bürger, und stellt die eigene Existenz von Israel als Staat in Frage."
Auch die UN war in der Vollversammlung wie auch im Sicherheitsrat eindeutig: die Kampfhandlungen müssten umgehend eingestellt werden, und die Truppen vom ägyptischen Staatsgebiet abgezogen werden.
Der Krieg in Ägypten fand ausgerechnet während den Präsidentschaftswahlen in den USA statt, so dass aus Washington keine raschen Schritte erfolgen konnte. Aber als am 6. November Präsident Dwight D. Eisenhower die Wiederwahl gewonnen hat, erreichte auch die Warnung aus dem Weissen Haus die Israelis. Die neue/alte Eisenhower-Administration warnte Israel davor, sämtliche Hilfszahlungen einzustellen und sich für Sanktionen gegen Israel vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einzusetzen.
Obwohl Israel von allen Seiten dazu gezwungen wurde sich von der Sinai-Halbinsel zurückzuziehen, dauerte es noch einige Monaten bis der Rückzug klar geregelt wurde. Moshe Dayan ging dann sogar so weit, und gründete am 14. Dezember 1956 die erste jüdische Siedlung bei Sharm el-Sheikh, die er "Ofira" nannte. Für Israel war der Traum vom Dritten Königreich noch nicht ausgeträumt.

 Shimon Peres, der "Vater" der israelischen Atombombe
Shimon Peres und die neue Aussenministerin Golda Meir verstanden aber sehr wohl dass das Projekt Sinai zwar gescheitert ist, aber man noch andere Geschäfte mit Frankreich geplant hatte um die man sich nun fürchtete. Als die Drohung eines Militärschlages aus Moskau eintraf, war klar dass sich die Franzosen und Briten aus dem Schlamassel zurückziehen würden um sich neu zu positionieren. Bereits am nächsten Morgen sassen Shimon Peres und Golda Meir im Flugzeug nach Paris um sich mit Ministerpräsident Guy Mollet und Verteidigungsminister Bourgès-Maunoury zu treffen. Die Israelis wollten die Franzosen an das Versprechen von Sèvres erinnern, an das Versprechen für den Aufbau eines Atomprogramms in Israel. Die Franzosen standen zu ihrem Wort, und diesesmal gab es sogar eine Absichtserklärung die Peres und Meir auf ihre Rückreise nach Tel Aviv mitnehmen konnten.
Es sollten aber noch weitere 8 Monate vergehen bis die Verhandlungen annähernd für alle Parteien zufriedenstellend gelöst wurden. Ausgerechnet der Fall der Regierung von Guy Mollet im Juni 1957 und die Wahl von Maurice Bourgès-Maunoury zum Ministerpräsidenten brachte die entscheidende Wende für Peres und Israel. Aber nicht weil man sich geeinigt hätte, sondern weil die Regierung von Bourgès-Maunoury bereits Ende September wieder zerbrach, und nur noch ein kleines Zeitfenster für den Abschluss mit Israel offen blieb. Also flog Shimon Peres Anfang September nach Paris um das künftige Atomprogramm für Israel zu sichern.
Der Ministerpräsident war nach wie vor gewillt die entsprechenden Bausteine für ein israelisches Atomprogramm zu liefern, aber er wollte diesen Schritt angesichts des sich abzuzeichnenden Zusammenbruchs seiner Regierung nicht allein durchziehen. Es ging um eine Verteilung der Verantwortlichkeit und im Bedarfsfall auch der Schuld. Bourgès-Maunoury wollte auch die Unterschrift von Guy Mollet (der in seiner Regierung Koalitionspartner war) und Aussenminister Christian Pineau auf dem Vertrag haben. Das grosse Problem aber war, dass der Ministerpräsident zwar wusste was Israel mit dem Atomprogramm vor hatte, aber die anderen es nur vermuteten und sich gegen diese Vermutung abzusichern versuchten. Aussenminister Pineau wollte auf gar keinen Fall dass Israel in den Besitz einer Atombombe gelangt. Guy Mollet machte seine Entscheidung von der Meinung des französischen Chefs der Atomenergiebehörde AEC abhängig. Es sah für Peres also nicht sonderlich gut aus, zumal der Druck von Tag zu Tag wuchs und er genau wusste, dass Israel auf die Hilfe von Frankreich nicht zählen konnte wenn diese Regierung auseinandergebrochen ist. Aus diesem Grund entschied sich Peres, die (vermeintlichen) Interessen Israels, oder viel mehr die Interessen Ben-Gurions zu wahren und auf moralische Bedenken im Umgang mit seinen französischen Verhandlungspartnern zu verzichten.
Das Problem mit Aussenminister Pineau löste Peres auf eine höchst fragwürdige, aber hinblicklich der Effizienz auf pragmatische Art und Weise: er log Christian Pineau an. Peres versicherte Pineau, dass das israelische Atomprogramm nur für zivile Zwecke gebraucht werde, um sich vom arabischen Öl unabhängiger machen zu können und dass nicht an einer Atombombe gebastelt werden würde.
AEC-Chef Francis Perrin wurde von Abel Thomas überzeugt, der ihm mitteilte dass es auch französischen Interessen dienen würde wenn Israel über ein Atomprogramm verfügt, da dadurch gemeinsam geforscht werden könne. Anschliessend wandte sich gemäss den Angaben von Thomas der AEC-Chef an Guy Mollet und sagte ihm, dass "wir (Frankreich) werden Israel die Atombombe geben müssen".

Am 30. September 1957 brach die Regierung schliesslich auseinander und ein Held aus dem Zweiten Weltkrieg wurde an die Spitze der Macht gewählt: General Charles de Gaulle.
Als de Gaulle erfuhr wie der Atomvertrag zwischen Frankreich und Israel zustande kam, und wie verwoben die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Atomforschung zwischen den beiden Ländern wurde, so verwoben dass sogar israelische Wissenschaftler in den Büros der französischen AEC-Forschungsanlagen ein und ausgingen, versuchte er einen Schlussstrich zu setzen und diese Art von Kooperation zu unterbinden. Er lud zu diesem Zweck David Ben-Gurion nach Paris ein um sich mit ihm über das Atomprogramm zu unterhalten. De Gaulle wollte von Ben-Gurion eine ehrliche Antwort auf seine Frage, wozu denn Israel in Wirklichkeit einen Nuklearreaktor brauchen würde. Aber wie Peres zuvor, log David Ben-Gurion dem französischen Staatschef ins Gesicht als er ihm sagte, dass "der jüdische Staat nicht darauf aus ist Nuklearwaffen zu entwickeln. Der Reaktor würde nur für friedliche Forschung benutzt werden."
De Gaulle glaubte dem alten Mann aus Israel nicht. Am 21. August 1960 informierte das französische Verteidigungsministerium den israelischen Botschafter in Paris über die Entscheidung der Regierung, die gesamte Kooperation auf dem Gebiet des Atomgeschäfts, also Forschung und Lieferung, per sofort einzustellen.
In Tel Aviv war man geschockt. Ben-Gurion brauchte ganze drei Monate um mit Shimon Peres und den anderen Eingeweihten eine Antwort auf diesen Entschluss Frankreichs zu finden.
Ende November reiste Shimon Peres wieder mal auf eine delikate Mission nach Paris um sich mit Maurice Couve de Murville zu treffen, dem Aussenminister in der Regierung von Charles de Gaulle. Peres hatte nicht vor lange Verhandlungen mit dem Franzosen zu führen, sondern kam relativ schnell zum Punkt: er erpresste Frankreich!
Peres drohte damit, sollte sich Frankreich tatsächlich aus dem "Geschäft" rund um den Dimona Reaktor in der Negev-Wüste zurück ziehen, dann würde Israel die Namen jener französischer Unternehmen veröffentlichen, die an dem Bau des Reaktors beteiligt sind und sie somit dem Zorn und womöglichen Boykott des wichtigen arabischen Marktes ausliefern.
Es blieb Frankreich schliesslich nichts anderes übrig als sich einem Kompromiss mit Israel hinzugeben, sofern man die Konsequenzen dieser Beteiligung nicht tragen wollte. Der ausgehandelte Kompromiss sah vor, dass Frankreich sich zwar offiziell aus Israel zurückziehen würde, aber die französischen Unternehmen ihre Arbeit beenden könnten. Frankreich würde die Forderungen nach internationalen Inspektionen der israelischen Anlagen fallen lassen, und Israel würde weiterhin in der Öffentlichkeit den friedlichen Aspekt der Atomforschung beteuern.

Es war das seltsame Schauspiel von Täuschung, Überzeugung, Übertreibung und Drohung die Shimon Peres in den Septembertagen des Jahres 1957 sowie drei Jahre später erneut in Paris anwendete, um Israel auf den Weg als einzige Atommacht im Mittleren Osten zu bringen. Ohne Peres wäre es für Israel um ein vielfaches schwieriger gewesen diesen Plan in die Tat umzusetzen, vermutlich wäre es sogar ganz und gar unmöglich gewesen. Das wusste auch David Ben-Gurion und belohnte Peres dafür im Dezember 1959 mit dem Aufstieg zum Vize-Verteidigungsminister.


Shimon Peres und die Siedlungen
Obwohl man heute immer wieder kritische Stimmen von Shimon Peres zu den Siedlungen in der West Bank hört, war aber derselbe Peres einer der Ersten der unmittelbar nach dem berühmt-berüchtigten Junikrieg von 1967, die Siedlungsaktivitäten der Regierung von Levi Eshkol vorschlug, unterstützte und förderte.
Ministerpräsident Levi Eshkol war sich nicht wirklich sicher was man mit dem eroberten Gebiet tun sollte, die unglaubliche Dimension der plötzlichen Gebietserweiterung von Israel war schwer zu fassen. Zudem erhielt Eshkol am 19. Juni 1967, nur 9 Tage nach Einstellung der Kämpfe, ein Geheimdossier des Militärgeheimdienstes welches auf den 14. Juni datiert war. Darin befasste sich der Geheimdienst der IDF (Israel Defence Forces) mit der Frage wie mit den eroberten Gebieten in der West Bank umgegangen werden sollte. Zur Überraschung aller empfahl der Geheimdienst "so schnell wie möglich einen palästinensischen Staat auf Basis der Waffenstillstandslinie von 1949 zu gründen, mit einigen Anpassungen in Jerusalem und den Becken von Latrun und Gilboa". Auch das Problem der Flüchtlinge wurde angegangen, um so "ein ehrenwertes Abkommen" abschliesen zu können.

Von solchen Plänen wollten einige in der Regierung nichts wissen, darunter Shimon Peres und Moshe Dayan. Peres selbst schlug Anfang September einen Plan vor, der dem Krieg und den eroberten Gebieten Rechnung trug, weil dieser "die Verbindung zwischen dem jüdischen Volk und deren Vergangenheit vertieft hat". Ein palästinensischer Staat kam nicht in Frage, ganz im Gegenteil. Es sollten gemäss Peres` Plan Siedlungen im "Osten, Norden und Süden von Jerusalem" entstehen, aber ohne dass man die palästinensischen Bewohner von spezifischen Ortschaften oder Grundstücken vertreiben sollte. Hier zeigte Peres moralische Bedenken, die sich aber mit dem zionistischen Projekt der territorialen Erweiterung nicht vereinbaren liessen. Das machte ihm Moshe Dayan sofort klar. In der gleichen Sitzung ging Dayan auf diese moralische Wunschvorstellung von Peres ein und erklärte ihm: "Lasst uns die Wahrheit sagen: wir wollen Frieden und es ist aber kein Frieden hier. Wir werden ein Militärregime in dem (besetzten) Gebiet weitere vier oder fünf Jahre halten und dann sehen was passiert. Jeder der gehen möchte (Palästinenser), kann gehen. Und so könnte es passieren das wir es mit weniger Flüchtlingen zu tun haben, und das wäre grossartig. Diejenigen die bleiben und weiterhin wie Hunde leben wollen, sollen es tun. Ben-Gurion sagte selbst, dass jeder der den moralischen Aspekt des zionistischen Problems behandelt, kein Zionist ist."

Obwohl Shimon Peres zwar moralische Bedenken mit der Vertreibung von Palästinensern in den Gebieten äusserte, in denen jüdische Siedlungen entstehen sollten, so war das lediglich eine Frage über die Vorgehensweise der Kolonisierung von palästinensischem Grund und Boden und keine Frage der grundsätzlichen Bedenklichkeit der Besiedlung. Anders ausgedrückt; es waren taktische Bedenken, aber keine strategischen.

Hätte er nämlich strategische Bedenken in der Frage gehabt, ob man das zionistische Projekt auch auf die eroberten Gebiete ausdehnen soll oder nicht, dann hätte er auf die Einwände von Theodor Moren gehört, dem juristischen Berater im israelischen Aussenministerium. Moren erhielt den Auftrag von der Regierung, die Legalität der beabsichtigten Besiedlung (- Kolonisierung) der West Bank und des Gaza-Streifens zu untersuchen. In seiner Beurteilung vom 18. September 1967 fasste Moren zusammen, dass "die zivile Besiedlung in den verwalteten (sprich eroberten) Gebieten explizit gegen die Bestimmungen der Vierten Genfer Konvention verstösst."
Als das Thema "Siedlungen" selbst den Einzug in US-Medien schaffte, musste sich zwangsläufig auch die US-Aussenpolitik damit befassen. Ende September 1967 reiste der Staatssekretär für den Mittleren Osten, Lucius D. Battle, nach Israel um sich selbst ein Bild vor Ort machen zu können. Er wurde von israelischen Offiziellen durch Israel und die eroberten Gebiete geführt und machte ihnen klar, dass die offizielle Haltung der USA gegenüber den Siedlungen so gehandhabt würde, wie Israel es auch offiziell gegenüber Washington angekündigt hatte: die eroberten Gebiete werden Gegenstand für Verhandlungen sein.
Israelische Siedlungen in diesen Gebieten würden diese Behauptung natürlich entkräftigen. Aber was Staatssekretär (oder Assistant Secretary um die korrekte Bezeichnung zu verwenden) Battle nach der Erkundungstour tat, war nicht etwa die Israelis an die internationalen Gesetze hinblicklich der Siedlungen zu erinnern oder sie sogar ganz davon abzuhalten, nein, Battle gab der israelischen Regierung insgeheim grünes Licht für die illegalen Siedlungen. Er ging sogar noch einen Schritt weiter indem er den Israelis Tipps gab, wie sie sich auf der internationalen Bühne in dieser Frage präsentieren sollten um nicht mit Sanktionen oder internationalen Verurteilungen belegt zu werden. Battle gab der israelischen Regierung folgenden Tipp: "... es ist von extremer Wichtigkeit dass die Aktionen der GOI (Government of Israel = Regierung von Israel) während dieser Periode keine Munition für diejenigen in den Vereinten Nationen liefern, die die Position der GOI so interpretieren würden dass sich diese in Richtung von territorialer Aneignung anstelle von einer ausgehandelten Beilegung verhärtet hat."
Die amerikanische Regierung war somit von Anfang an Komplize in der illegalen Kolonisierung der eroberten Gebiete durch Israel.

Am 3. Juni 1974 erhielt Shimon Peres für seine Verdienste trotz grosser Proteste aus den Reihen der Armee den ersten Ministerposten. Nicht irgendeinen Posten, sondern einen der Wichtigsten nebst dem Ministerpräsidenten: Peres wurde Verteidigungsminister.
Das Verteidigungsministerium ist direkt für die eroberten Gebiete verantwortlich, da man dort ein Militärregime errichtet hatte und diese somit ausserhalb der zivilen Jurisdiktion von Israel standen. Wenn also neue Siedlungen gebaut werden sollten, entschied der Verteidigungsminister wo diese gebaut werden sollten und wie diese Grundstücke "erworben" werden sollen. Die bevorzugte Taktik war es, die gewünschten Gebiete mit Helikoptern zu überfliegen um zu überprüfen, ob das Land kultiviert wird oder nicht. Wenn ja, dann liess man in aller Regel von den Plänen ab. Wenn das Land aber nicht offensichtlich kultiviert wurde, dann markierte man die gesamte Fläche und überprüfte alte Archive ob es irgendwelche Eigentumsdokumente gab. Das Problem an der ganzen Sache ist aber, dass hunderte von Archive die den Israelis nach der Eroberung in die Hände fielen (das selbe gilt bereits für den Krieg von 1948), auf unerklärliche Art und Weise auf dem Umzug zum Zentralarchiv "verschwunden" sind, oder dass die Regierung gar keinen Zugang zu jordanischen Archiven hatte, da Jordanien die West Bank nach dem Krieg von 1948/1949 annektiert hatte.
Wenn man also keinen Eigentumsnachweis über das gewünschte Gebiet finden konnte, wurde das Land als "Staatsland" deklariert. So wurden hunderttausende von Quadratmeter Land gestohlen, Land worauf eigentlich ein palästinensischer Staat entstehen sollte. Israel verwies die westlichen Kritiker sehr erfolgreich jahrelang darauf, dass Israel ja kein im Privatbesitz befindliches Land für die Siedlungen benutzte, sondern "brach liegendes" Land. Dass allein schon solch eine Praktik vor einem internationalen Gericht nicht standhalten würde, ganz zu Schweigen davon dass so immer mehr Land aus dem kollektiven Besitz der palästinensischen Nation gestohlen wurde, interessierte im Westen niemanden.

Das erste grosse "Projekt" von Shimon Peres als Verteidigungsminister war die Enteignung von insgesamt 30`685 Quadratkilometer Land im Jahr 1975 für den "öffentlichen Gebrauch" ausserhalb von Jerusalem. Peres legte den Grundstein für die heutige "Megasiedlung" Ma`ale Adumim. 



Das grüne Gebiet ist die Fläche die auf Peres`Anweisung hin vom palästinensischen Volk enteignet wurde.
Die rot markierte Fläche links unten ist die heutige Siedlung Ma`ale Adumim, die anderen roten Flächen sind ebenfalls israelische Siedlungen auf palästinensischem Gebiet.








Shimon Peres begnügte sich jedoch nicht nur mit den "offiziell" genehmigten Siedlungen, er wurde auch zum Hüter der religiös-messianisch-nationalistischen Siedlerbewegung Gush Emunim (Block der Gläubigen).
Als am 20. April 1975 insgesamt 26 Anhänger von Gush Emunim unter der Führung von Yehuda Etzion (Etzion gehörte später zum Jüdischen Untergrund, einer Terrorgruppe) in einer Nacht und Nebelaktion in eine ehemalige jordanische Armeekaserne bei Ramallah schlichen um dort "Fakten auf dem Boden zu schaffen", war es Shimon Peres der ihnen politischen Schutz gewährte. Denn die Regierung beanspruchte die Oberhoheit über die Entscheidung, ob und wo Siedlungen gebaut werden sollen und wollte eigentlich genau diese Situation verhindern, wo unabhängige Siedler egal welcher Ideologie für Probleme sorgen würden. Aber indem Peres den Anhängern von Gush Emunim bei dieser Besetzung des Kasernengeländes den Status eines offiziellen "Arbeitscamps" verlieh, konnte die Regierung nichts dagegen unternehmen. Doch Peres ging noch einen Schritt weiter.  Als die Siedler ihm ein Jahr später mitteilten dass sie das Gebiet rund um Ofra, wie sie diese Siedlung in Anlehnung an eine antike jüdische Siedlung in der Nähe tauften, ausweiten möchte um darauf weitere Häuser bauen zu können, unternahm er nichts gegen diese Pläne, obwohl in dem Schreiben an ihn ganz klar erwähnt wurde, dass "der Bau ohne Zustimmung des Eigentümers des Landes" erfolgen würde. Ofra wurde somit zum Meilenstein in der Entwicklung der Siedlerbewegung Gush Emunim, und gleichzeitig die Geburtsstunde für einen Gegner den die israelische Regierung nie wieder in Griff bekommen würde. Die Büchse der Pandora war geöffnet.
Jahre später als Shimon Peres seine Biographie schreiben liess, kam er auf diese Episode zurück (obwohl nicht mit diesen hier genannten Details) und beschrieb seine Haltung als "Kapitulation vor den Siedlern, welche die Regierung fatal schwächte".

Shimon Peres im Krieg
Am 5. November 1995 musste Shimon Peres einen seiner schwierigsten Aufstiege an die Spitze der Macht in Israel bewältigen. Am Abend zuvor wurde sein langjähriger Rivale Yitzhak Rabin von einem jüdischen Extremisten auf einer riesigen Feier für den Frieden in Tel Aviv ermordet. Shimon Peres erklomm als Interims-Ministerpräsident dessen schweres Erbe. Die meisten Menschen ahnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass die Hoffnung auf eine Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts zusammen mit Rabin beerdigt wurde.
 
Peres konzentrierte sich aber statt auf die Palästinenser auf Syrien. Er wollte mit Hafez al-Assad, dem Vater des heutigen Präsidenten Bashir, den Friedensvertrag abschliessen den Rabin bereits in Angriff genommen hatte. Allerdings war Peres nicht bereit einen Kampf gegen die jüdischen Siedler in den Golan-Höhen zu führen, was für Assad einem Wortbruch Israels gleichkam. Denn Rabin hatte ihm und insbesondere den USA signalisiert, dass er die Golan-Höhen im Austausch für einen Frieden mit Syrien wieder zurückgeben würde. Aufgrund dessen dass Peres bloss Übergangsministerpräsident war und die Wahlen für den Frühling 1996 angesetzt wurden, besprach er dieses Thema Ende November in Washington mit den Amerikanern. In diesen Gesprächen wurde klar, dass Peres nicht bereit war für solch einen Deal mit Syrien. Er sagte den Amerikanern dass er "bereit ist den Golan zu verlieren oder die Wahlen zu verlieren, aber nicht beides".

Anfang 1996 verschlechterte sich die Sicherheitslage in Israel dramatisch, als Shimon Peres dem Druck seiner Geheimdienste nachgab und die Ermordung von Yahya Ayyash, besser bekannt als der "Ingenieur" der Hamas, beauftragte. Ayyash war zuständig für den Bau von technisch komplexen Bombensystemen die die Hamas gegen Israel einsetzte. Der israelische Inlandgeheimdienst Shabak, der nach der Ermordung von Yitzhak Rabin in einer tiefen Krise steckte, erhielt von einem palästinensischen Informanten einen Tipp wo sich Ayyash aufhält. Der aufgrund des Rabin-Attentats scheidende Shabak-Direktor wollte sich mit einem Schlag gegen Ayyash von der Sicherheitspanne bei Rabin rehabilitieren, und drängte Peres den Anschlag zu genehmigen. Für Peres war es ebenfalls eine Möglichkeit, sich als starker Mann im Lande endlich einmal beweisen zu können und seine Kritiker aus dem militärischen Lager verstummen zu lassen. Er gab grünes Licht.

Am 5. Januar 1996 explodierte das präparierte Telefon von Ayyash und tötete ihn auf der Stelle. Für die Hamas war dieser Mord eine Kriegserklärung durch Israel. Sie entfachten eine mörderische Terrorkampagne gegen Israel und sprengten ihre Märtyrer in beliebten öffentlichen Plätzen in die Luft. Innerhalb der ersten zwei Wochen forderten diese Anschläge 54 Menschenleben und verletzten 215 weitere Personen. Es war eine völlige Fehlkalkulation auf Seiten der israelischen Geheimdienste und ultimativ auch von Shimon Peres. Anstatt sich als "Mr. Security" nach dem Mord an Ayyash feiern zu lassen und somit die kritischen Wählerstimmen zu sichern, erreichte er damit genau das Gegenteil. Der neue Shabak-Direktor Ami Ayalon identifizierte die Situation exakt als er nach den ersten Hamas-Anschlägen sagte, dass es "eine Korrelation zwischen Hoffnung und Terror gibt. Es ist möglich den Terror des islamischen Randes einzudämmen und zu reduzieren, aber nur wenn der Friedensprozess spürbaren Fortschritt zeigt und von ehrlichen Verhandlungen geführt wird".
Doch leider wollte niemand auf den neuen Shabak Direktor hören. Anstelle von "ehrlichen Verhandlungen" setzte Israel auf die Blockade des Gaza-Streifens und trieb die dort eingesperrten Palästinenser weiter in die Hände der Hamas. Diese wiederum transformierten die Wut und den Hass auf die Besatzer in weitere Terroranschläge. Shimon Peres verlor komplett die Kontrolle und musste sich der Kritik seiner Armee stellen, die nach Vergeltung verlangte.

Anfang April wechselte der Schauplatz vom Gaza-Streifen in den Libanon, wo Israel seit 1982 den Süden okkupiert hielt. Wie die Hamas ist auch im Süd-Libanon aufgrund israelischer fehlgeleiteter Militärpolitik ein Gegner entstanden, der aber um ein vielfaches potenter als die Hamas war: Hezballah, die Partei Gottes.
Seit 1993 gab es zwischen Hezballah und Israel ein mündliches Abkommen, welches besagte dass die jeweiligen Zivilisten verschont blieben. Immer wenn Israel Bombardements durchführten oder Strassenbomben im Süd-Libanon in die Luft sprengte und dabei Zivilisten ums Leben kamen, antwortete Hezballah mit Raketenangriffen auf israelische Ziele. Zwischen 1993 und 1996 brach Israel insgesamt in 231 Fällen dieses Abkommen, die Hezballah als "Antwort" darauf in 13 Fällen.
Als dann am 9. April in einem Dorf in Süd-Libanon eine Strassenbombe detonierte und zwei Jungs tötete und einen weiteren Jungen schwer verletzte, antwortete Hezballah am nächsten Morgen mit 25 Raketen auf die israelische Grenzstadt Kiryat Shemona.
Yitzhak Mordechai, der ehemalige Kommandeur der IDF-Northern Command, heizte die angespannte Situation in Israel noch weiter auf als er öffentlich sagte, dass "es an der Zeit ist das ganze blah blah zu stoppen. Peres hat doch gar keine Antwort für die Israelis im Norden die sich in den Schutzbunkern verstecken müssen."

Der Druck auf Shimon Peres wurde zu gross, er konnte die Armee nicht mehr in Schach halten und gab wieder ein verhängnisvolles grünes Licht, diesesmal für die Operation "Früchte des Zorns" die von Ehud Barak bereits zu einem früheren Zeitpunkt geplant wurde. Das Ziel dieser Operation war es, durch ein massives und brutales Bombardement zu Luft, zu Wasser und natürlich vom Boden aus eine gigantische Flüchtlingswelle zu verursachen, so dass die libanesische Regierung in Beirut endlich etwas gegen die von Israel so verhasste und gefürchtete Hezballah unternimmt. Wie in fast allen israelischen Angriffskriegen auf den Libanon waren die USA von Anfang an auf der Seite Israels und gaben politische wie auch materielle Unterstützung. Erst als Israel absichtlich die UN-Stellung von Qana bombardierte und ein Massaker an über 100 Menschen verübte die dort Schutz vor den israelischen Bomben gesucht haben, drehte sich das internationale Kriegssegel gegen Israel. Absolut schockierend waren die Aussagen von den israelischen Soldaten die dieses Massaker verübt haben: "Unser Kommandeur sagte uns nur Minuten nach diesem Angriff, hey, es ist Krieg. Kommt schon, die Bastarde schiessen auf euch, was hättet ihr tun sollen? Er sagte uns dass wir gut geschossen haben und so weitermachen sollen und, dass es Millionen von diesen Arabern gibt."


Für die vielen Menschen die ihr gesamtes Hab und Gut und so viele Angehörige im Zuge der Operation "Früchte des Zorns" auf Anordnung von Shimon Peres verloren haben, muss die verliehene Präsidiale Freiheitsmedaille der Vereinigten Staaten von Amerika durch US-Präsident Barack Obama an ihren Peiniger im Jahr 2012 wie eine schallende Ohrfeige vorgekommen sein.
Shimon Peres wurde für etwas geehrt, dass nichts mehr als ein Mythos ist.



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